Industrie befürchtet Folgen wegen Containerschiff-Stau vor Bremerhaven
- Containerschiffe stauen sich auf der Nordsee vor Bremerhaven.
- Gründe liegen auch in den Corona-Folgen in China.
- Deutsche Industrie rechnet mit möglichen schweren Folgen.
Auf Schiffortungs-Webseiten lassen sich die ankernden Frachter gut erkennen. Zu Dutzenden liegen die Schiffe auf der Nordsee vor Bremerhaven und warten auf die Einfahrt in einen der deutschen Seehäfen, um dort ihre Ladung umzuschlagen. Doch die Abläufe wie etwa an der Bremerhavener Stromkaje sind nachhaltig gestört. Container stauen sich – Schiffe werden nur langsam abgefertigt.
Gründe für das Durcheinander sind vielfältig. Logistikforscher Herbert Kotzab von der Universität Bremen hat neben dem Brexit und dem Ukraine-Krieg einen weiteren Grund ausgemacht: "Die Ursachen liegen in China, da es jetzt Corona-bedingt zu großen Ausfällen des Personals kommt, das die Schiffe nicht beladen kann." Ein Corona-Lockdown in Shanghai hat zu einem Stau von Frachtschiffen im größten Hafen der Welt geführt. Das Exportvolumen des Mega-Hafens ist Schätzungen zufolge schon um rund 40 Prozent zurückgegangen.
Die großen Containerschiffe sind in einem Linienverkehr tätig, das bedeutet: Wie ein Flugzeug oder wie die Bahn fahren die nach bestimmten Zeitplänen. Wenn ein Schiff ausfällt oder später kommt, hängt sich das an andere Schiffe an.
Herbert Kotzab, Uni Bremen
Kleine Verzögerungen, große Auswirkungen
So entsteht laut dem Logistikforscher nun das Problem, dass schon kleine Verzögerungen die Lieferketten stark beeinträchtigen. In Hamburg hat sich die Situation derart zugespitzt, dass der dortige Hafenbetreiber HHLA Sonderprämien ausgelobt hat, wenn die Belegschaft Überstunden leistet. Die Situation in den deutschen Seehäfen ist angespannt. In Bremerhaven hat es nach Informationen von buten un binnen bereits vergangene Woche Gespräche gegeben, wo auf dem Containerterminal zusätzliche Flächen für eine längere Lagerung der Fracht entstehen könnten.
Kurzfristig müssen wir weiter mit diesen Staus rechnen, sodass es möglicherweise langfristig zu einem Umdenken in den Unternehmen kommt, dass sie die Produktion wieder näher zu den Heimatmärkten bringen.
Herbert Kotzab, Uni Bremen
Deutsche Industrie stellt sich auf Folgen ein
Bereits jetzt stellt sich die deutsche Industrie auf möglicherweise schwerwiegende Folgen ein. "Die deutsche Industrie befürchtet in den kommenden Wochen gestörte Produktionsabläufe", sagte Industriepräsident Siegfried Russwurm der Deutschen Presse-Agentur. "Getroffen sind vor allem Branchen, die auf Rohstoff- oder Bauteillieferungen sowie den Versand ihrer Fertigprodukte über Seetransporte angewiesen sind." Die internationalen Logistik-Turbulenzen seien schon zu spüren.
Die Transportpreise haben sich in den vergangenen Monaten wegen des Kriegs in der Ukraine und der Corona-Folgen mehr als verdoppelt. Die Niederlassungen deutscher Unternehmen in China arbeiten aktuell bereits im Krisenmodus.
Siegfried Russwurm, Industriepräsident
In Norddeutschland gibt es dagegen auch Nutznießer: Der Jade-Weser-Port in Wilhelmshaven, an dem Bremen beteiligt ist, profitiert von der aktuellen Situation, heißt es aus der Belegschaft. Viele Container, für die es in anderen Häfen keinen Platz mehr gebe, würden hier zwischengelagert – gegen eine stattliche Gebühr.
Dieses Thema im Programm: buten un binnen, 25. April 2022, 19:30 Uhr