"Land-Grabbing": Wie ein Großinvestor bei Bremerhaven abblitzte

Luftbild: Ein Trecker fährt auf einem grünen Feld. Links ein Waldgebiet.

Land Grabbing verboten: Wie ein Großinvestor bei Bremerhaven abblitzte

Bild: Radio Bremen

Land wird immer rarer – das macht auch Agrarflächen für Investoren interessant. Bei Bremerhaven darf nun doch ein Familienbetrieb kaufen. Der Anleger verlor vor Gericht.

Boden ist eine wichtige Ressource. Wie wichtig, das zeigen die aktuellen Engpässe bei Lebensmitteln. Sie werfen die Frage auf, ob wir in Zukunft nicht anders wirtschaften müssten, damit die eigene Versorgung gesichert ist. Gute landwirtschaftliche Böden spielen dafür eine wichtige Rolle. Längst wird um sie hart gekämpft – in den ostdeutschen Bundesländern zum Beispiel auch um die Flächen der ehemaligen volkseigenen Betriebe. "Land-Grabbing" nennt man das. Und das gibt es auch im Landkreis Cuxhaven in der Nähe von Bremerhaven.

Familienbetrieb gegen Großinvestor

Hier betreibt Familie Dreyer aus Heerstedt schon seit Generationen einen Bauernhof. Vermutlich hätten sie bis vor ein paar Jahren niemals erwartet, dass sie mal mit einem kapitalstarken Großinvestor mithalten müssten. Aber genau das passierte. Ihre Existenz als Familienbetrieb stand auf dem Spiel. Michael Dreyer sitzt in seinem Arbeitszimmer und blättert in einem Papierstapel auf dem Tisch – Schriftwechsel und Prozessunterlagen, die sich über Jahre angesammelt haben.

"Diese zwei Jahre waren natürlich für uns sehr, sehr belastend, weil wir in keinster Weise wussten, wie sie ausgehen", erinnert sich Dreyer. "Für uns war nicht klar, ob wir nach dem Urteil noch Nutzer dieser Flächen sind." "Diese Flächen", das sind 40 Hektar Land in der Nähe des Hofes. Die Dreyers hatten sie schon seit Jahren gepachtet und auch mit eingeplant, als sie den Hof vergrößern wollten – damit es sich für ihre Söhne lohnt, ihn weiterzuführen. Umso größer der Schock, als sie erfuhren, dass der bisherige Eigentümer die Flächen verkaufen wollte: an die B. H. Holding GmbH.

Rund 700 Hektar Nutzfläche gehören der B. H. Holding mittlerweile, das ist das Siebenfache eines durchschnittlichen anderen Betriebs der Region (hier symbolisch dargestellt). Und die sind auf Zupachtungen angewiesen – nur 50 Prozent der nötigen Flächen gehören den kleineren Betrieben selbst.

Firma um Kik-Gründer kauft seit Jahren Land

Geschäftsführer der Holding ist der Sohn des Gründers des Textil-Anbieters Kik, der jetzt Inhaber einer Ladenkette ist, die 2019 einen Umsatz von 1,6 Milliarden Euro erzielte. Die B. H. Holding hat eine Tochtergesellschaft in Beverstedt südöstlich von Bremerhaven und kauft seit einigen Jahren Flächen im Umkreis auf.

Kai Letzner leitet die Bremerhavener Geschäftsstelle der Niedersächsischen Landgesellschaft (NLG). Sie ist im Auftrag des Landes für die Entwicklung des ländlichen Raums zuständig. Er sagt, dass Land für Investoren eine Geldanlage ist.

Eine sehr, sehr lukrative Geldanlage: Land ist nicht vermehrbar, also es wird auch in Zukunft in seinem Wert steigen. Und das ist natürlich genau die Rendite, die Investoren suchen.

NLG-Chef Kai Letzner

In den vergangenen Jahren könnte die Holding rund 700 Hektar rund um Beverstedt erworben haben, schätzt Kai Letzner. Die Höfe in der Region seien aber auf Pachtflächen angewiesen. "In der Historie ist es auch begründet, dass die Landwirte im Lauf der letzten Jahre alle gewachsen sind. Das heißt, sowohl mit ihren Tieren als auch mit ihren Flächen. Allerdings: Dafür, alles anzukaufen, haben die Landwirte auch nicht das Portemonnaie", erklärt Letzner. Daher müssten sie auf Pachtflächen ausweichen.

Rund die Hälfte ihrer genutzten Flächen pachten Landwirte im Durchschnitt dazu, schätzt Klaus Dahmen aus Beverstedt. Er arbeitet beim Beratungsring Sellstedt e.V. als Unternehmensberater für Landwirte. Zwar verpachte auch die Holding Flächen an Landwirte, aber: "Wenn dann so ein großer Investor auftritt, mit dem Sie vielleicht nicht ganz so gut können – oder die, die ganz offen ausschreiben, nur nach dem Preis gehen, dann bekommen sie eventuell die Flächen nicht oder in weiter Entfernung", sagt Klaus Dahmen. Das bringe dann wieder höhere Kosten, die Gewinne würden deutlich reduziert.

"Es geht um die Sicherstellung der Versorgung"

Kai Letzner
Kai Letzner leitet die NLG-Geschäftsstelle Bremerhaven. Bild: NLG

Und das, sagt Kai Letzner von der Niedersächsischen Landgesellschaft, seien dann die Probleme, die gerade durch die aktuelle Situation jedem klar würden: "Da geht es nämlich letztendlich um die Sicherstellung, dass die Bevölkerung mit Lebensmitteln versorgt werden kann. Und dazu ist es zwingend notwendig, auch wenn es eine Platitüde ist, dass Bauernland in Bauernhand gehört."

Das durchzusetzen, gehört zu den Aufgaben der Landgesellschaft, darum hat sie das Verfahren gestartet. Der aktuelle Streit ging bis vor das Oberlandesgericht Celle. Das entschied, dass Familie Dreyer die Flächen kaufen durfte – als Vollerwerbslandwirte. Und genau diese Eigenschaft sprach das Gericht der B. H. Holding in diesem Fall ab. Ist damit die Frage ein für alle Mal gelöst? In diesem einen Fall und für den fraglichen Zeitpunkt ja. Und derzeit wird auch das gesetzliche Vorkaufsrecht für landwirtschaftliche Flächen nachgeschärft. Ein Schritt in die richtige Richtung, sagt Kai Letzner.

Aber er und Klaus Dahmen sind sich einig: "Wir haben natürlich noch mehr Flächen, die zum Verkauf stehen. Und nur, weil die B.H. Holding jetzt vor Gericht mal nicht gewonnen hat, wird sie vermutlich auch in Zukunft von diesem Modell nicht abrücken. Also von daher – ja, das wird wohl so weitergehen", schätzt Letzner ein.

Land Grabbing gibt’s hier auch. Zwar nicht so stark wie in den Entwicklungsländern. Aber auch hier könnte man es so bezeichnen.

Klaus Dahmen

Die B.H. Holding hat auch auf mehrfache Radio-Bremen-Anfrage keine Stellungnahme abgegeben.

Autorin

  • Catharina Spethmann
    Catharina Spethmann

Quelle: buten un binnen.

Dieses Thema im Programm: Bremen Zwei, Der Nachmittag, 13. Juni 2022, 17.20 Uhr