Filmkritik: Warum "Rabiye Kurnaz gegen George W. Bush" sehenswert ist

Bild: Pandora Film

Standing Ovations nach dem Eröffnungsfilm des Bremer Filmfests: Die wahre Bremer Geschichte des Kampfs um die Freilassung von Murat Kurnaz aus Guantanamo berührt.

Rabiye Kurnaz und Bernhard Docke sitzen im Flugzeug Richtung Washington. Die kleine blonde Frau schläft an der Schulter des hochgewachsenen Anwalts, während er noch Texte liest, Passagen notiert, nachdenkt. Fast liebevoll blickt er dann zu der schlafenden Frau an seiner Seite. Einer der wenigen stillen Momente, der die Beziehung der beiden beleuchtet, denn kurz zuvor überredet die quirlige Rabiye Kurnaz den zurückhaltenden Anwalt zu einem Glas Champagner. "Ich muss doch noch arbeiten" – "Na und, ich trinke doch eigentlich auch keinen Alkohol."

Die Szene zeigt einen von mehreren Flügen und Fahrten, die die beiden auf sich nehmen, um das scheinbar Unmögliche möglich zu machen: Den 19-jährigen Sohn von Rabiye Kurnaz aus Guantanamo zu holen, wo er insgesamt fünf Jahre unschuldig eingesperrt ist und auch gefoltert wird. Bremen, Washington, Ankara – die rechtliche Situation scheint aussichtslos, trotzdem scheuen sie keinen Weg. Dabei kommt der Film nicht schwerfällig rüber, wie man es sich zunächst bei diesem Thema vorstellt.

Absurd bis witzig

Im Gegenteil: Regisseur Andreas Dresen und Drehbauchautorin Laila Stieler sind dem Stoff auf eine humorvolle und leichte Art begegnet. Im Mittelpunkt stehen nämlich die Mutter des inhaftierten Murat Kurnaz und der Bremer Anwalt Bernhard Docke, der ohne Bezahlung für die Freilassung Murats kämpft. Und diese beiden fast entgegengesetzten Charaktere krachen immer wieder aufeinander. Das führt zu vielen absurden und witzigen Situationen.

Im Übrigen lebt der Film von den Kontrasten des zunächst so ungleichen Paares. Auf der einen Seite steht die energiegeladene und gutmütige Raibye Kurnaz, die ihr Herz auf der Zunge trägt und aus Versehen auch mal der Polizei ein bisschen zu viel verrät. Im Gegensatz dazu dann der ruhige und manchmal etwas steife Anwalt, der seine Worte sehr behutsam wählt und mit einem mitreißenden Idealismus unermüdlich arbeitet.

Meltem Kaptan brilliert als Rabiye Kurnaz

Hier und da mögen die Figuren etwas überspitzt dargestellt sein, doch wohl gerade deshalb kommt die Dynamik gut beim Zuschauer an. Meltem Kaptan spielt Rabiye Kurnaz und gewann für ihre authentische Darstellung zuletzt auf der Berlinale einen Silbernen Bären als beste Hauptrolle. Auch Alexander Scheer, der den Anwalt Bernhard Docke verkörpert, gleicht zumindest optisch und auch mit seinem bremischen Dialekt dem Original fast eins zu eins.

Die wirklich ernsten Momente sind zwar selten, wirken dadurch aber nicht weniger erschütternd. Der Film zeigt eine reale David-gegen-Goliath-Geschichte unserer Zeit, bei der eine Hausfrau aus Bremen-Hemelingen den Zuschauer mitnimmt in ihre Welt: Das einfache Leben einer deutsch-türkischen Familie Anfang der 2000er-Jahre in Bremen wird genauso dargestellt wie der große Kampf gegen die Ungerechtigkeit. Der Zuschauer bleibt dabei bewegt, aber auch hoffnungsvoll zurück. Oder wie Regisseur Andreas Dresen es sagt: "Die Verhältnisse, in denen wir leben, sind von Menschen gemacht und können auch von ihnen geändert werden."

Rabiye Kurnaz: "Wenn ich den Film sehe, kommt alles wieder hoch"

Bild: Radio Bremen

Autorin

Dieses Thema im Programm: buten un binnen, 21. April 2022, 19:30