Gemeinsam gegen den Krieg: Wie erleben ihn junge, wie ältere Bremer?
Der Krieg in der Ukraine beschäftigt Menschen ganz unterschiedlich. Während die einen scheinbar normal weiterleben, werden bei der älteren Generation Kriegsängste wach.
Während ältere Bremerinnen und Bremer noch das Ende des zweiten Weltkrieges und den kalten Krieg bis in die 1980er-Jahre hinein miterlebt haben, erleben Jugendliche oder Kinder das erste Mal einen so nahen Krieg.
Besonders schwer trifft es diejenigen, die den zweiten Weltkrieg miterlebt haben und die Kinder der Kriegsgeneration, erklärt Gudrun Runge, Psychotherapeutin mit einer zusätzlichen Traumatherapie-Ausbildung. Sie kennt die sogenannte 'Russenangst' oder 'Russophobie' nicht nur aus beruflicher Erfahrung. Dieses verbreitete Gefühl, dass sich aus den Ängsten nach dem Zweiten Weltkrieg speist, könnte jetzt bei den älteren oder deren Kindern wieder hochkommen. Viele haben das noch hautnah miterlebt.
'Russenangst' noch präsent
Diese massive Angst erklärt Gudrun Runge an einem persönlichen Beispiel: Ihre Mutter hatte nach dem Zweiten Weltkrieg so große Angst vor den Russen, dass diese Angst bei größeren politischen Krisen wie der Kuba-Krise oder der Korea-Krise wieder hochkam. Auch der Spruch 'Die Russen kommen' verlieh ihrer Angst Ausdruck. Und genau dieses Gefühl könne jetzt wieder ausgelöst werden, da Russland erneut an einem Krieg beteiligt ist.
Dies betreffe teilweise auch die Kinder und Enkel der Kriegsgeneration, denn Kriegstraumata werden unbewusst teilweise über Generationen hinweg in Familien weitergegeben. Auch in Bremen gebe es viele, die davon betroffen sein könnten: "Russland galt schon früher als Bedrohung und deswegen empfinden manche diese Situation als so massiv beängstigend."
Gefahr von Retraumatisierung bei Geflüchteten
Auch für Menschen mit Fluchtgeschichte, die schon länger in Bremen sind, wirkt die Situation in der Ukraine unbehaglich. "Die können durch die Kriegs- und Fluchtbilder im Fernsehen retraumatisiert werden", so Runge. Es könne zu sogenannten Flashbacks kommen; also das die Betroffenen in die Gefühlswelt zurückgeworfen werden, die sie während des Krieges und auf der Flucht erlebt haben.
Durch ihre langjährige Arbeit mit Geflüchteten kennt Runge die Bilder, die dann hochkommen können: Trennung von Familien und Freunden, sterbende Menschen, überfüllte Schlauchboote bis hin zu Folter, Erpressung und Misshandlungen während der Flucht.
Das Angstgefühl brechen
Kriegstraumatisierten Bremern können dann plötzlich schreckliche Gedanken und Erinnerungen in den Kopf schießen und die Gefühle stark ängstigen. Solchen Menschen empfiehlt Runge eine – auch wenn es schwer fällt – komplette Nachrichtensperre.
Hilfreich sei es dann, wenn das persönliche Umfeld Mitgefühl zeigt und deutlich macht, dass in Bremen zurzeit keine Gefahr drohe und man in Sicherheit sei. Und das müsse auch immer wieder deutlich gemacht werden, um den Menschen zu zeigen, wo sie sich real befinden, wenn sie innerpsychisch gerade in ihrer schrecklichen Vergangenheit feststecken.
Auch Kinder kennen Krieg
Während ältere Menschen in Bremen den Krieg noch direkt erlebt haben, kennen Kinder so etwas wie Krieg nur aus dem Fernsehen. Es sei aber falsch zu glauben, man könne Kinder davon fernhalten. Auch sie wissen, dass das schrecklich ist und Gefahr für Leib und Leben bedeuten kann, so Herbert Junk, psychologischer Psychotherapeut und Vorsitzender der Landesarbeitsgemeinschaft für Erziehungs- und Familienberatung. Auch Kinder und Jugendliche dürfen sich angemessene Sorgen machen und Angst empfinden.
Je nach Alter und Kind sind diese Gefühle unterschiedlich stark und sollten benannt werden. Dabei ist es wichtig, das Thema kindgerecht anzusprechen und auch die Nachrichten zu begrenzen. Dabei können Gedanken kommen, wie dass der Vater vielleicht in den Krieg muss oder Kinder machen sich Sorgen um die Kuscheltiere der fliehenden Kinder. "Wenn Eltern wissen, was konkret die Kinder ängstigt, können sie damit umgehen", erklärt Junk. Dann gilt es diese Angst zu verarbeiten.
Dieses Thema im Programm: Bremen Eins, Der Morgen, 10. März 2022, 6:10 Uhr