Krabbenpulen 2.0: So will eine Ostfriesin das Handwerk revolutionieren

Bevor Nordsee-Krabben im Brötchen landen, gehen sie tonnenweise zum Pulen nach Marokko. Eine Ostfriesin und ihr Vater wollen das mit einer Ultraschall-Maschine ändern.

Ein Brötchen wird mit Krabben befüllt.
Bevor Krabben aus der Nordsee im Brötchen landen, werden sie meist in Marokko gepult. Christin Klever möchte die weite Reise überflüssig machen. Bild: DPA | Carmen Jaspersen

Dass Nordsee-Krabben ganz nach Marokko gebracht und dort massenhaft im Akkord gepult werden, bevor sie zurück in Norddeutschland im Brötchen landen, findet Christin Klever irrsinnig. Die studierte Maschinenbauerin aus Großheide im Landkreis Aurich befasste sich näher mit dem Thema und entwickelte ein Verfahren, bei dem Krabben per Ultraschall vom Panzer getrennt werden. Der Impuls dazu sei spontan entstanden, als sie mit Kollegen von der Hochschule Karlsruhe ihre Heimat besuchte. Und genau dort könnten die Tiere künftig wieder ihres Panzers entledigt werden.

Krabben-Panzer sind wie Nierensteine

Eine junge Frau im Business-Outfit und mit Brille schaut in die Kamera.
Christin Klever hat in ihrem Studium ein Verfahren entwickelt, um Krabben per Ultraschall zu pulen. Bild: US Processing Klever UG

"Wir waren an der Küste und haben Krabbenbrötchen gegessen", erzählt die 33-Jährige. Dabei habe sich ihr Professor gefragt, wie die Krabbe eigentlich aus der Schale käme. "Wir haben ihm dann erklärt, dass die aktuell leider nach Marokko gehen und wieder zurück geschafft werden", so Christin Klever. "Er hat das für völlig irrsinnig erklärt, wie wir natürlich auch." Daraufhin habe sie das Krabbenpulen zum Thema ihrer Masterarbeit gemacht und untersucht, welche Maschinen und Methoden es bereits gibt. Sie fand heraus: Aufgrund ihres ähnlichen Aufbaus können die Chitin-Panzer wie Nierensteine per Ultraschall zertrümmert werden, das Fleisch wird dabei nicht beschädigt.

Tausende Tonnen Krabben werden in Marokko gepult

Ein Mann steht auf einem Boot und greift in ein Sieb mit Krabben.
Noch ist Krabbenpulen Handarbeit, doch das könnte sich ändern. Bild: DPA | Ingo Wagner

Damit war die Idee geboren, die traditionelles Krabbenpulen revolutionieren könnte. Sie baute an ihrer Hochschule ein Ultraschallgerät um und testete das Verfahren in einem Versuch erfolgreich. Einen begeisterten Unterstützer hat die 33-Jährige in ihrem Vater, der früher selbst Krabbenfischer war und heute Geschäftsführer einer Erzeugergemeinschaft ist. "Der freut sich extrem und ist auch mit treibende Kraft." Christin Klever und ihr Vater Günter gründeten eine Firma, um das Projekt weiter voranzutreiben. Deutschland, Dänemark und die Niederlande produzieren jährlich etwa 35.000 Tonnen ungeschälte Speisekrabben, 60 Prozent davon werden in Marokko gepult, rechnet Günter Klever vor. Dort habe es zuletzt jedoch Probleme mit den Kapazitäten gegeben.

Kunden wollen mehr Nachhaltigkeit

"Krabbenpulerinnen sind in die dortige Autoindustrie abgewandert", sagt der 66-Jährige. Ein paar Tausend seien es weiterhin, schätzt er. Es herrsche enormer Leistungsdruck beim Krabbenpulen, das zumeist von Frauen verrichtet werde. Die Hallen seien klimatisiert, optimal für die Krabben, weniger für die Arbeiterinnen. Zusätzlich werde der weite Weg nach Nordafrika zunehmend zum Problem, weil er für ein negatives Image in Deutschland sorge. Die Krabben werden nach dem Fang gekocht, eingefroren, per LKW nach Marokko gekarrt, aufgetaut, geschält, konserviert und zurück gefahren. Der ganze Prozess dauert etwa zehn Tage, schätzt Günter Klever. "Bei der Fisch & Feines Messe in Bremen habe ich mit Hunderten Besuchern gesprochen", sagt er. "Vielen ging es bei Krabben um Nachhaltigkeit und Belastung durch Konservierungsmittel."

Zahnpasta und Diätprodukte aus Krabben-Abfall?

Ein älterer Mann mit Brille blickt in die Kamera
Günter Klever war früher selbst Krabbenfischer, heute unterstützt er seine erfinderische Tochter. Bild: US Processing Klever UG

Infolge der Klimadiskussion wollen die Kunden keine Krabben mehr aus Marokko, glaubt der 66-Jährige. Ihm sei persönlich sehr an dem Verfahren seiner Tochter gelegen. Weil die Krabbenfischerei auch wegen ihrer Fangmethoden in der Kritik von Umweltschützern steht, habe man eine unabhängige Studie in Auftrag gegeben, um dies zu entkräften. Doch Günter Klever denkt noch weiter. So ließen sich Panzer zum Beispiel für Zahnpasta, Diätprodukte oder in der Wasseraufbereitung verwenden. Der enthaltene Stoff Chitin sei zudem in der Medizin gefragt. Aus weiteren Abfällen könnte Fischfutter werden.

Krabbenpulen per Ultraschall soll in Serie gehen

Im Dezember erhielt Christin Klever ein Patent auf das von ihr entwickelte Verfahren. Nun soll es in Serie gebracht werden. "Wir haben schon mit einigen großen Firmen gesprochen und eine in Berlin gefunden, mit der wir nächste Woche nochmal Versuche produzieren", sagt sie. Auch mit dem TZZ Institut in Bremerhaven arbeiten Tochter und Vater zusammen. "Wenn alles soweit gut aussieht, dann gehen wir spätestens in einem Monat in ein Forschungszentrum und bauen einen Funktionstypen." Nach der Frage der Machbarkeit seien nun Umsetzung und Wirtschaftlichkeit zu klären, erklärt Günter Klever. Ob man dann mit Marokko konkurrieren könne? Er sei zuversichtlich. "Wir versuchen das Krabbenpulen zurück an unsere Küste zu bringen, dann würde das negative Image entfallen und wir hätten die Produktion wieder vor der Tür." In spätestens zwei Jahren soll dann die erste, richtig funktionierende Maschine bereitstehen.

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Dieses Thema im Programm: Bremen Vier, Die Vier am Morgen, 6. Februar 2019, 9:15 Uhr