Interview

Erste Bremer Uni-Konrektorin ohne Professur: "Auch wir können führen"

Eine Frau leitet ein Seminar
Mit Mandy Boehnke wird an der Universität Bremen erstmals eine Vertreterin des sogenannten Mittelbaus als Konrektorin im Rektorat vertreten sein. (Symbolbild) Bild: dpa | Zoonar | Matej Kastelic

Mit Mandy Boehnke gehört erstmals eine Wissenschaftlerin ohne Professur zum Leitungsteam der Bremer Uni. Hier erzählt die Sozialwissenschaftlerin, was sie anpacken will.

Frau Boehnke, mit Ihnen wird erstmals eine Vertreterin des sogenannten Mittelbaus im Rektorat der Universität Bremen vertreten sein. Was genau ist mit Mittelbau gemeint?

Mit dem sogenannten Mittelbau sind alle wissenschaftlichen Beschäftigen unterhalb der Professur gemeint. Dazu gehören zum Beispiel Doktorandinnen und Doktoranden, Postdocs sowie Lektorinnen und Lektoren. Der akademische Mittelbau ist eine sehr heterogene Gruppe mit unterschiedlichen Aufgabengebieten, Vertragsbedingungen und Abschlüssen.

Was bedeutet die Entscheidung, aus dieser großen Gruppe an Beschäftigten, jemanden zur Konrektorin zu machen?

Die Universität setzt hier ein wichtiges Signal und zeigt mit dieser Entscheidung, dass die Rolle des akademischen Mittelbaus sehr ernst genommen wird. Vor dem Hintergrund, dass der sogenannte Mittelbau eine der tragenden Säulen ist, ist es nur konsequent, dass man die direkte Expertise mit ins Rektorat nimmt und bereit ist, Verantwortung zu teilen.

Laut der Uni Bremen wollen Sie sich "für die systematische Förderung des wissenschaftlichen Mittelbaus einsetzen und die Entwicklungsmöglichkeiten dieser heterogenen Gruppe stärken". Warum ist das Ihrer Meinung nach notwendig?

Mehr als die Hälfte des Personals an der Universität entfällt auf den sogenannten Mittelbau. Und diese Gruppe erbringt zentrale Leistungen in Forschung und Lehre, ohne die die Universität so nicht funktionieren würde. Das muss sichtbarer und anerkannter werden. Die Universität ist hier bereits vorangegangen und hat Karrierewege im Mittelbau geschaffen, wie den Senior Researcher und Senior Lecturer. Darauf werden wir aufbauen und diesen Weg fortsetzen.

Wie wollen Sie die Position all jener wissenschaftlicher Beschäftigen, die keine Professur haben, konkret stärken?

Ich möchte erst einmal mit einer Bestandsaufnahme innerhalb der Universität anfangen und schauen, was da ist, welche Bedarfe es gibt, wen man einbinden kann und wo noch eine bessere Vernetzung nötig ist. Das wäre der erste Schritt. In einem nächsten Schritt muss man sicher auch auf der politischen Ebene aktiv werden. Hier gibt es laufende Diskussionen und Initiativen von Fachgesellschaften und Interessensvertretungen, es gibt also einen aktuellen gesellschaftlichen und politischen Diskurs dazu, das ist günstig.

Wissenschaftliche Beschäftigte an Universitäten arbeiten teilweise unter prekären Bedingungen und hangeln sich von einem befristeten Vertrag zum nächsten. Ist das auch etwas, das Sie verändern wollen?

Zahlreiche Wissenschaftsverbände fordern, das "Wissenschaftszeitvertragsgesetz" komplett abzuschaffen. Kürzlich gab es eine Evaluation des bestehenden Gesetzes, die gezeigt hat, dass sich die Vertragslaufzeiten nur geringfügig erhöht haben und die Befristungsquote immer noch bei über 80 Prozent liegt.

Und da gibt es natürlich Unmut bei den wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die zu Recht sagen: 'Ich erbringe hier zentrale Leistungen und an irgendeinem Punkt – und das ist ja das Besondere – geht es für mich nicht mehr weiter.' Denn das Gesetz sieht auch eine Höchstbefristungsdauer von zwölf Jahren vor, was bedeuten kann, dass man danach keine weiteren Verträge an der Universität mehr erhält. Dann ist man hochspezialisiert und die Universität verliert eben diese Kompetenzen. Das ist ein großes Problem und muss angegangen werden.

Ihr Amt wird die Schwerpunkte "Internationalisierung, wissenschaftliche Qualifizierung und Diversität" umfassen. Die Umschreibung "wissenschaftlicher Nachwuchs" haben Sie gestrichen. Warum?

Seit Jahren ist es so, dass der Begriff "Nachwuchs" kritisiert wird und wir wollten den Neuanfang nutzen, um uns davon zu verabschieden. Denn Nachwuchs suggeriert Unfertigkeit und hebt auch Abhängigkeiten hervor. Und das wollen wir eben gerade nicht akzentuieren. Wir wollen stattdessen stärker die Kollegialität und das Miteinander auf Augenhöhe betonen. Und das haben wir als neues Team bereits in der Benennung dieses Konrektorats zum Ausdruck gebracht.

Was möchten Sie generell in den drei Bereichen verändern?

Es sind drei sehr große Bereiche, die ich in Angriff nehme, und in jedem der drei Bereiche gab es auch viel Bewegung in den letzten Jahren. Natürlich möchte ich an Bestehendes anknüpfen und das kann ich auch gut, weil bereits sehr viel vorhanden ist.

Nach einer Bestandsaufnahme würde ich gerne die Internationalisierungs- und Diversity-Strategie aktualisieren. Gerade der Bereich Diversität hat sich in den vergangenen Jahren deutlich weiterentwickelt und ist bedeutsamer geworden. Darüber hinaus von zentraler Wichtigkeit – das hat auch die zukünftige Rektorin deutlich gemacht – ist das Thema Nachhaltigkeit. Mit diesem Thema wird sich die Universität in Zukunft noch stärker beschäftigen, das betrifft auch meine drei Bereiche.

Das klingt nach Aufbruch und Veränderung. Empfinden Sie das gerade so?

Unbedingt! Das kann ich mit einem klaren "Ja" beantworten. Die vergangenen Jahre waren schwierig genug. Aus verschiedenen Gründen, aber ganz sicher auch aufgrund der Pandemie hat es Veränderungen gegeben, die nicht nur positiv waren. Wir möchten den Wechsel jetzt auch gerne nutzen, um Menschen wieder zusammenzubringen und eine Art Aufbruchstimmung zu erzeugen.

Ist die Entscheidung der Universität, das Konrektorat mit einer Person zu besetzen, die keine Professor inne hat, auch ein Zeichen dafür, dass sich Führungskultur im akademischen Raum verändert und in Zukunft weniger elitär sein wird?

Ja, das ist so zu verstehen, das würde ich schon sagen. Bremen geht hier mit einigen wenigen anderen Universitäten diesen Weg, Verantwortung noch einmal neu zu denken und eben auch zu leben. Die Universität zeigt mit der Entscheidung, dass auch nicht-professorale Mitglieder Verantwortung übernehmen und führen können, wie sie das im Übrigen auch jetzt schon tun. Nur bleibt das oft unsichtbar. Durch diese Entscheidung wird es nach außen hin auch sichtbar.

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