Infografik
Darum hat Bremen noch 564 Kita-Plätze – und kann sie nicht vergeben
Leere Kitas trotz großer Nachfrage: Mehrere Kita-Träger in Bremen arbeiten weit unter ihrer Auslastung. Zwar sind Gebäude und Plätze vorhanden, jedoch fehlt das Personal.
Die Schlagzeile zu fehlenden Kita-Plätzen ruft bei einigen Eltern im Land Bremen vielleicht Wut hervor – oder nur noch ein resigniertes Schulternzucken. Kein Personal, keine Gebäude, dieselbe Leier jedes Mal, wenn neue Zahlen bekannt gegeben werden. Und keine erkennbare Aussicht auf Besserung. Inzwischen gibt es neue Kita-Gebäude, deren Träger können aber die Plätze nicht vergeben. Womit die unglückselige Verquickung der ganzen Misere wieder deutlich wird, denn ohne Erzieherinnen ist eine fertige Kita einfach nur ein Haus.
Dabei gehen laut dem jüngsten Statusbericht mehr als 1.000 Kinder über drei Jahre im September leer aus. Bis dahin soll sich laut Bildungsressortsprecherin Maike Wiedwald zwar noch einiges bewegen. Aber wir fassen die aktuellen Fakten hier zusammen.
1 Kein Personal: Neue Kita-Plätze liegen brach
Laut Bildungsressort sind zwei Kita-Träger von der Personal-Misere besonders betroffen und können keine Kinder aufnehmen: PME/Global Education und Fröbel. Allein PME könnte mit den vorhandenen Räumen 80 Krippen-Kinder und 160 Kita-Kinder mehr aufnehmen. Die Kita Sonnenberger Straße werde im neuen Jahrgang aber nur mit drei von zehn möglichen Gruppen betrieben, die Kita Walljunioren mit vier von sechs. Und Zweifel gibt es im Ressort auch daran, ob PME im August mit den restlichen Plätzen des Neubaus "Kita an der Ihle" starten kann.
Wir haben Eltern, die sind verzweifelt, die sagen: "Wir verlieren unseren Job, wenn das so weiter geht. Wir können nicht mehr arbeiten gehen." Ich habe mit einer Mutter gesprochen, die sagte: "Der erste Blick morgens ist auf das Handy. Findet die Kita überhaupt statt?" Das ist bei mir auch so.
Lotta von Böttcher, Elternvertretin Kita Walljunioren von PME
Fröbel kann demnach seit mehr als einem Jahr die Plätze der "Kita an der Weide" nicht voll belegen. Ab Oktober will der Träger "Familienbündnis" die neue "Kita Werdersee" endlich in Betrieb nehmen. Unklar ist noch, wie viel Personal dann fehlen wird. Der städtische Träger "Kita Bremen" könne personell nicht aushelfen, weil die eigene Personallage auch dünn sei. Die folgende Tabelle zeigt, dass insgesamt 400 Plätze für die über Dreijährigen nicht vergeben werden können. Das ist ein Drittel der fehlenden Plätze, wie Fakt 2 gleich zeigt.
Kita-Plätze die im Jahr 22/23 wegen Fachkräftemangels nicht vergeben werden können
Träger | Plätze für unter Dreijährige | Plätze für über Dreijährige |
---|---|---|
Awo | 20 | 40 |
Fröbel | 26 | 18 |
PME/Global Education | 80 | 160 |
Hans Wendt gGmbH | 5 | 30 |
Kita Bremen (städtisch) | 10 | 20 |
Quirl | 5 | 50 |
Familienbündnis | 20* | 80* |
Summe Stadt Bremen | 166 | 398 |
*Geschätzt "schlechtester Fall" alle Plätze
2 Angebot und Nachfrage Kita-Plätze
In den Statusbericht I fließen alle bis Ende Januar eingegangene Anmeldungen ein. Demnach wurden mehr Kinder für eine Kita angemeldet als im Vorjahr, genau 18.641 (18.019). Es gab 1.212 Anmeldungen mehr als Plätze zur Verfügung stehen. Die Tabelle zeigt das Verhältnis pro Stadtteil, darunter die Gesamtzahl für die Stadt Bremen.
Kita-Plätze: Anmeldungen und vorhandene Plätze in Stadtteilen
3 Angebot und Nachfrage Krippen-Plätze
Auch bei den Krippen-Plätzen gibt es ein Defizit. Demnach fehlen aktuell 245 Plätze in der Stadt Bremen. Angemeldet wurden laut Statusbericht 6.401 Kinder unter drei Jahren, 6.156 Plätze stehen zur Verfügung.
4 Ausbauziele für Kitas und Krippen
Bis zum Ende des neuen Kindergarten-Jahres am 31. Juli 2023 erwartet das Bildungsressort Bremen eine Versorgungsquote von 52,1 Prozent für unter Dreijährige, also bei den Krippen-Plätzen. Damit würde die Zielvorgabe der Bürgerschaft aus dem vergangenen Jahr verpasst, die 60 Prozent anvisiert hatte. "Es ist deutlich, dass im U3-Bereich weiterer Aufholbedarf besteht", heißt es dazu aus dem Ressort. Es sei absehbar, dass dies wegen der Neubau-Projekte einige Jahre dauern werde. Dabei verweist das Ressort auf Unterschiede in den Stadtteilen. Woltmershausen, Mitte und Horn-Lehe seien sehr gut versorgt mit mehr als 60 Prozent. "Blumenthal, Vegesack, Findorff, Walle, Gröpelingen, Huchting, Obervieland, Osterholz und Oberneuland sind Beispiele, in denen der Aufholbedarf noch besonders groß ist."
Mein Anspruch ist, dass jedes Kind, das in unsere Grundschulen eingeschult wird, vorher schon eine Förderung erfahren hat in einer unserer Kitas. Für unsere Kinder ist das das Beste. Die Ausbauziele müssen sich an diesem Förderanspruch orientieren. Zu den rund 2.000 zusätzlichen Plätzen, die derzeit in der Umsetzung sind, müssen weitere 3.000 Plätze geplant und geschaffen werden, damit wir in der Perspektive ausreichend Plätze haben.
Sascha Aulepp (SPD), Bildungssenatorin Bremen
Bei den über Dreijährigen will Bildungssenatorin Sascha Aulepp (SPD) eine Vollversorgung erreichen. Das sehe bis Ende Juli nächsten Jahres mit erwarteten 102 Prozent Versorgungsquote auch gut aus, so das Ressort. Doch es werden nicht alle Vorschulkinder mitversorgt werden können, weil teils Sechs- und Siebenjährige noch nicht in die Schule gehen, aber in der Planung bislang nicht erfasst waren. Deshalb müsse es weitere Angebote geben.
5 Ausbau ohne Personal? Die Fachkräfte-Gewinnung
"Wir haben Räumlichkeiten, die für viel Geld hergerichtet wurden, viele hundert Kinder, die eine Betreuung brauchen und es fehlt an den Betreuungskräften. Das ist nicht zu akzeptieren", teilte Ressortsprecherin Maike Wiedwald auf Anfrage von buten un binnen mit. Der Markt an Erzieherinnen und Erziehern sei leergefegt, bundesweit. Die Lage mache deutlich, dass Bremens Kitas auch für andere Professionen und Arbeitskräfte geöffnet werde müssten, wie für Sozialassistentinnen, FSJler, Bufdis, Gärtner und andere. Diese sollen berufsbegleitend bis hin zur Erzieherin beziehungsweise zum Erzieher ausgebildet werden.
Kurzfristig müssen wir das Arbeitsfeld auch für Menschen stärker öffnen, die vergleichbare Qualifikationen haben. Konkret sind wir mit den Trägern und den Beschäftigtenvertretungen im Gespräch, welche Möglichkeiten der kurzfristigen Mobilisation zusätzlicher personeller Ressourcen wir nutzen könnten.
Maike Wiedwald, Sprecherin Bildungsressort Bremen
Und weitere Maßnahmen soll es geben:
- Im Ausland pädagogisch ausgebildete Menschen schneller hier in Arbeit bringen.
- Tagesmütter und -väter bitten, ihre Betreuungskapazitäten auszuweiten.
- Mehr Menschen als Tagespersonen gewinnen. Dafür sei eine Kooperation mit der Wohnungsbaugesellschaft Gewoba geplant. "Es geht dabei auch um eine Umgestaltung der eigenen Wohnung von Gewoba-Mieter:innen oder der gezielten Anmietung und kindgerechten Ausstattung von geeigneten Räumen, um dann Kindertagespflegepersonen zu ermöglichen, darin zu arbeiten", heißt es..
Dieses Thema im Programm: buten un binnen, 10. Juni 2022, 19:30 Uhr