Bremerhavener Forscher: So können wir die Klimakatastrophe verhindern

In seinem neuen Bericht stellt der Weltklimarat IPCC die drastischen Folgen des Klimawandels da. Eine entscheidende Rolle spielte ein Bremerhavener Forscher.

Der Weltklimarat IPCC hat am Montagmittag den zweiten Teil seines neuen Sachstandberichts vorgelegt. Auf mehreren Tausend Seiten stellt er darin die drastischen Folgen der Erderwärmung auf Mensch und Natur dar und nimmt auch dringend notwendige Anpassungsmaßnahmen in den Blick. In den vergangenen zwei Wochen hatten die 195 IPCC-Mitgliedstaaten im Plenum hinter verschlossenen Türen über die Berichtsergebnisse beraten.

Ein Mann mit Krawatte steht im Freien und blickt in die Kamera.
Klimaforscher Hans-Otto Pörtner vom Bremerhavener Alfred-Wegener-Institut hat entscheidend am zweiten Bericht mitgewirkt. Bild: DPA | Eventpress

Das Kernteam, das den nun vorliegenden zweiten Teil des sechsten Sachstandsberichts des IPCC verfasst hat, besteht aus rund 270 Wissenschaftlern aus aller Welt, darunter 15 aus Deutschland. Mit dabei ist auch ein Experte aus Bremerhaven. Klimaforscher Hans-Otto Pörtner vom Alfred-Wegener-Institut ist Ko-Vorsitzender der Arbeitsgruppe für den zweiten Bericht.

Das sind die wichtigsten Botschaften des Berichts:

1 Wir müssen jetzt handeln

Die Welt befinde sich im entscheidenden Jahrzehnt, um das Ruder noch herumzureißen und die schlimmsten Folgen des Klimawandels abzuwenden, betonte Pörtner. Es gebe keinen Wissensmangel, sondern eine Umsetzungslücke.

Es gibt nur einen begrenzten Zeitraum, in dem erfolgreiches Handeln auf den Weg gebracht werden kann.

Hans-Otto Pörtner, Klimaforscher vom Alfred-Wegener-Institut

Die Erderhitzung führt laut IPCC bereits zu gefährlichen Veränderungen der Natur und Milliarden Menschen leiden immer stärker darunter. Es gibt verheerende Waldbrände wie im Mittelmeerraum und im Westen der USA, Überschwemmungen wie in der Region Ahr und Erft im Juli 2021, Hitzewellen wie in Sibirien. Das erhöhe Armut und Ungleichheit und werde mehr Menschen, die in ihrer Heimat kein Auskommen mehr haben, zur Migration zwingen.

Ein Auto liegt in dem Fluss Erft. In Bad Münstereifel hat die über die Ufer getretene Erft erhebliche Schäden angerichtet.
Unwetterkatastrophen wie im Sommer vergangenen Jahres in der Region Erft sind bereits eine Folge des Klimawandels, betonen die Forscher. Bild: DPA | Oliver Berg

Selbst wenn es gelinge, die Erwärmung auf 1,5 Grad über dem vorindustriellen Niveau zu begrenzen, müsse die Menschheit demnach schon in den nächsten 20 Jahren erhebliche Auswirkungen verkraften. Die Forscherinnen und Forscher warnen vor einem weiteren Artensterben sowie mehr Dürren und schweren Stürmen in vielen Regionen der Welt. Auch in Europa drohen demnach sinkende Ernteerträge und Wasserknappheit.

2 Die Welt muss gemeinsam handeln

Laut Pörtner darf nicht jeder nur auf seinen Bereich schauen. Die Länder müssten gemeinsam handeln, um die Folgen des Klimawandels zu begrenzen. Reiche Länder müssten ärmere Länder unterstützen, die weniger Ressourcen haben, um sich anzupassen.

3 Mensch und Natur gemeinsam betrachten

Eine Botschaft des Berichts ist, dass Mensch, Natur und Umwelt in einer Wechselwirkung zueinander stehen und dass Maßnahmen in einem Bereich oft Auswirkungen in anderen Bereichen hat. Klimaschutz soll nach Ansicht der Experten daher künftig stärker abgestimmt sein auf den Umwelt- und Tierschutz. Pörtner nannte ein Beispiel: Die Fischereiquoten seien aktuell nicht dem Klimawandel angepasst. Dieses Denken über den eigenen Fachbereich hinaus ist noch nicht genug in der Politik angekommen, sagte Pörtner. Ein erster guter Schritt ist für den AWI-Wissenschaftler, dass es in der neuen Bundesregierung eine interministerielle Arbeitsgruppe zwischen dem Wirtschafts- und Umweltministerium gibt.

4 Jetzt handeln ist billiger

Pörtner und seine Kollegen sind überzeugt, dass die Anpassung und Minderung des Klimawandels die Welt deutlich billiger zu stehen kommen wird als die Folgen eines deutlichen Temperaturanstiegs.

5 Bewusst leben

Auf einem vollen Mülleimer in einem Park stehen Kaffeebecher und Essensschachteln.
Die Menschen müssen ihr Verhalten ändern und beispielsweise nicht so viel Müll produzieren, fordern die Forscher. Bild: DPA | Jens Kalaene

Nötig sind nach Überzeugung der Wissenschaftler auch Änderungen des Lebenswandels: weniger Fleisch essen etwa, weil für das Weiden riesige Agrarflächen gebraucht werden. Dafür werden oft Wälder gerodet, die klimaschädliches CO2 aufnehmen könnten, oder Flächen genommen, auf denen Nahrungsmittel angebaut werden könnten. Ein wichtiger Punkt sei auch eine Mobilitätswende: mehr klimaneutrales Fahrrad- statt Autofahren oder Zugfahren statt Fliegen. Und auch die Wegwerfmentalität sei ein großes Problem.

6 Naturräume schützen

Der Bericht empfiehlt auch, Naturräume wieder herzustellen und zu schützen. 30 bis 50 Prozent der Erdoberfläche müsse für Naturräume zur Verfügung gehalten werden. Diese Räume könnten durchaus genutzt werden, aber nur in einem nachhaltigen Miteinander von Mensch und Natur. Unbedachte Klimaschutz-Maßnahmen könnten den Schwund der Artenvielfalt beschleunigen. Monokulturen wie riesige Raps- oder Maisfelder zur Produktion von Biotreibstoff seien ein Beispiel.

Die Menschen könnten von der Fähigkeit der Natur profitieren, das klimaschädliche Kohlendioxid zu absorbieren und zu speichern. Noch nähmen Ökosysteme mehr Treibhausgase auf, als sie selbst verursachten, heißt es in den IPCC-Dokumenten. Das ändere sich aber, wenn Urwald abgeholzt oder Torfmoorgebiete trockengelegt werden oder der arktische Permafrost schmilzt.

Dritter Teil folgt im April

Der erste Teil des sechsten Sachstandsberichts war im August veröffentlicht worden. Darin ging es um die naturwissenschaftlichen Grundlagen des Klimawandels. Der dritte Teil befasst sich mit den politischen und technologischen Maßnahmen zur Minderung des Klimawandels. Er soll Anfang April veröffentlicht werden.

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Dieses Thema im Programm: buten un binnen, 28. Februar 2022, 19:30 Uhr