Marinas Beine sind gelähmt – nicht ihre Lust
Weil sie seit einem Autounfall gelähmt ist, glauben Männer, Marina Krumme könnte keine Lust spüren. Das nervt die Bremerin. Denn sie hat Sex – und zwar guten.
Marina Krumme feiert jedes Jahr zwei Geburtstage. Zum einen im September. Diesen Monat wird sie 34 Jahre alt. Aber auch der 28. Januar ist für sie ein Geburtstag. Denn am 28. Januar 2001 schlief sie als Beifahrerin auf dem Heimweg von der Disco im Auto ein. Aufgewacht ist sie im Krankenhaus. Das Auto krachte gegen einen Baum – mit knapp 120 Kilometern pro Stunde. Marina ist querschnittsgelähmt. Mit 15 Jahren.
Während andere Teenager weiter durch die Nächte tanzten, flirteten und sich in der Schule langweilten, lernte Marina in der Reha alles neu. Sprechen, schlucken und sich mit dem Rollstuhl zu bewegen. Doch trotz allem war Marina ja selbst auch noch ein Teenager.
Sexualität oft als Tabuthema erlebt
In die Disco wollte sie auch, sich verlieben, Schmetterlinge im Bauch haben – doch oft musste sie merken, dass die Sexualität von Menschen mit Behinderungen ein Tabuthema in der Gesellschaft ist. Auch heute noch.
Ich habe viele Männer kennengelernt, die gesagt haben: "Wie, du bist doch querschnittsgelähmt? Bei dir ist doch alles tot." Das ist so krass.
Marina Krumme
Dabei sei Sex sowieso Kopfsache. "Die erogenen Zonen verändern sich einfach ein wenig", sagt Marina Krumme. Aber die seien ja schließlich von Mensch zu Mensch komplett unterschiedlich und gerade bei Querschnittgelähmten sei es natürlich auch abhängig davon, ab welcher Stelle ihres Körpers sie kein Gefühl mehr hätten.
Marina lernt mit der Zeit ihren Körper neu kennen – und probiert in ihrer Jugend auch ihre Sexualität voll aus. Mit einer Freundin, in Beziehungen, mit einem Mann im Rollstuhl und mit Fußgängern. "Ich habe meine Erfahrungen gesammelt, gerade deshalb finde ich es so schade, dass das Thema immer noch so tabuisiert wird", sagt sie.
Das Tabu werde zwar von Generation zu Generation mehr abgebaut. Trotzdem muss sie manchmal noch deutlich machen, dass ihre Beine gelähmt sind – nicht ihre Sexualität und ihre Sinnlichkeit.
Am entspanntesten seien die Menschen im Swinger Club gewesen. "Dort bin ich oft angesprochen worden und sie hatten keine Skrupel und Berührungsängste", sagt Marina.
"Mitgefühl ist schön, Mitleid braucht kein Mensch."
Marina Krumme
Selbst wenn Menschen Assistenz zum Ausleben ihrer Sexualität benötigen – möglich sei es ja trotzdem. "Sexualität ist schließlich nicht gleich Sexualität und auch ein Teil der Selbstbestimmung", sagt Marina. Ihr Sex zum Beispiel sei nicht sehr viel anders als der aller anderen. Der einzige Unterschied: Sie ist nicht ganz so mobil. Das hindert sie aber nicht daran, eine erfüllende Beziehung zu führen. In jeder Hinsicht.
Ihr Freund ist übrigens Fußgänger. "Eine Beziehung zwischen einem Rollstuhlfahrer oder einer Rollstuhlfahrerin und einem Fußgänger ist immer sehr intensiv", sagt Marina. Das liege daran, dass der Partner sehr schnell viel Intimes mitbekommen würde und sich auch in manchen Dingen mehr auf den Partner einstellen müsse. Das lasse schnell Nähe und Verbundenheit entstehen.
Zur Inklusion gehört auch das Brechen von Tabus
Gerade in Bremen wird Marinas Erfahrung nach viel über Inklusion gesprochen und auch schon tolle Arbeit geleistet, aber es gebe immer noch einiges zu tun. Sei es das brechen von Tabus oder aber die Barrierefreiheit – auch ein Punkt, in denen der Partner in einer Beziehung mal Abstriche machen müsse. Mit einem Rollstuhl komme man einfach nicht überall hin. "Ich lebe jetzt schon seit zwölf Jahren in Bremen, war aber noch nie im Schnoor", erzählt Marina. Das Kopfsteinpflaster und die engen Gassen sind der 'Endgegner' für den Rollstuhl.
Ihr Leben in Bremen genießt sie gemeinsam mit ihrem Freund – auch ohne Schnoor-Besuch. Marina Krumme ist angekommen.
Dieses Thema im Programm: buten un binnen, 5.August 2019, 19:30 Uhr