Interview

Wie ein Bremer Künstlerkollektiv mit Computer-Kunst "erschrecken" will

Ihre Performance heute in der Schwankhalle ist dunkel, sagen Icaro und Victor. Die Gäste bräuchten Mut. Spaß ist auch erlaubt, bei moderner Kunst, die herausfordert.

Ihre Performance hat magische Momente: Da sind sich Victor und Icaro einig. Die Themen, die das Künstlerkollektiv "Tremendo Parche Latino" am Freitagabend auf die Bühne der Schwankhalle bringen will, klingen aber erst einmal nach schwerer Kost: die Zerstörung der Erde und Kolonialismus und die Rolle, die neue Technologien dabei einnehmen. Die Studenten der Hochschule für Künste haben buten un binnen erzählt, wie sie ihre Geschichte mit Tanz, Klang, Dichtung und Computer-Technik auf die Bühne – und dem Publikum näher bringen wollen.

Icaro und Victor, in Ihrer Geschichte treffen zwei Figuren aufeinander, die ihre Beziehung zur Sonne entschlüsseln wollen. So steht es in der Ankündigung. Was bedeutet das?

In der Performance treffen zwei Charaktere, ein Jaguar und Nene del Solar aufeinander. Ja, sie wollen ihre Beziehung zur Sonne erkunden. Der Theaterraum leuchtet, sodass sich die Menschen wie in einem Dschungel fühlen können. Während der Performance erzählen die beiden eine Geschichte über die Zerstörung der Gebiete in Lateinamerika, die durch den Abbau von Ressourcen für die Herstellung von Technologie – zum Beispiel Mineralien wie Kupfer und Lithium – vorangetrieben wird. Die Sonne spielt eine wichtige Rolle. Denn sie steht für pure Energie.

Zwei Männer umarmen sich freundschaftlich vor einer Graffiti-Wand
Victor (l.) und Icario (r.) bauen elektronische Geräte und komponieren Klangerlebnisse. Bild: Tremendo Parche Latino

Performance-Kunst ist meist sehr offensiv. Wollen Sie die Menschen erschrecken?

Ja, vielleicht ein bisschen. Wir wollen über die Zerstörung der Erde reden – und wir wollen über Kolonialismus reden. Da müssen wir das Publikum erschrecken. Es ist dunkel. Aber es gibt auch spaßige Momente in der Performance. Wir erzählen die Geschichte durch gesprochenes Wort, in Form von Gedichten, mit Songs, Bewegungen und auch durch zeitgenössischen Tanz.

Sie studieren Digitale Medien, ihre Performance wird durch Computer-Technik entscheidend bestimmt. Wie funktioniert das?

Ja, das Kostüm des Jaguars hat verschiedene Sensoren, es funktioniert wie ein elektronisches Instrument oder ein Synthesizer. Es hat einen Mikro-Computer, der Bewegungen wahrnehmen und die Stimme des Darstellers in Echtzeit verändern kann. Wenn ich (Viktor) als Jaguar ein Gedicht spreche, reagieren die Sensoren auf die Stimme, der Klang ändert sich. Es gibt verschiedene magische Momente.

Die Maschine und die Roboter bewegen sich wie Magie. Wir wollen die Menschen überraschen mit der Magie der Technologie.

Icaro, Tremendo Parche Latino
Auf einer Theaterbühne steht ein kostümierter Schauspieler
Technologie steckt in der Performance, Technologie ist auch ihr Thema. Icaro als Jaguar. Bild: Tremendo Parche Latino

Sie bezeichnen die andere Figur, Nene del Solar, als Techno-Schamanen. Das müssen Sie erklären.

Icaro spielt Nene del Solar. Dafür hat er zwei Percussion-Maschinen und eine Krone gebaut. Auch sie werden durch die Bewegung seiner Hüften und durch seine Stimme aktiviert. Als Techno-Schamane kann Nene del Solar eine Verbindung herstellen zwischen den Sphären des Technologischen und des Spirituellen. Wenn die Charaktere tanzen, kontrollieren sie die Maschine. Für uns ist das wie eine Choreografie mit Mensch und Roboter. Icaro kommt aus Kolumbien, ich (Victor) aus El Salvador. Die Choreografie ist lateinamerikanisch inspiriert, von Salsa, Merengue, Rhythmus ist eine Inspiration. Aber es ist kein Salsa, kein Merengue. Für uns ist das kein traditioneller Lateintanz. Aber auch die Percussion-Maschinen haben Trommeln, die lateinamerikanisch inspiriert sind.

Das sind viele verschiedene Elemente: Ausbeutung der Ressourcen, lateinamerikanische Stereotype, Umgang mit Technologien. Was wollen Sie mitteilen?

Ja, wir haben viele Elemente in der Performance. Wir wollen mehrere Dinge sagen. Zum Beispiel, dass wir den Dschungel schützen und versuchen sollten, darauf zu achten, woher wir die Ressourcen für unsere technischen Geräte beziehen. Die Maschinen, die Nene gebaut hat, die Trommeln und Percussion-Instrumente, sind von kolumbianischem Wissen inspiriert und ebenfalls eine Form von Technologie. Und wir wollen sagen, dass unser Körper viele Beziehungen zur Technologie haben kann, mehr als unser alltäglicher Umgang mit unseren Handys. Menschen können über die Verantwortung nachdenken, wie sie Technologie nutzen.

Folgen Ihre Bewegungen einer Komposition, oder improvisieren Sie?

Wir haben ein Skript geschrieben, es ist eine Komposition, weil es feste Momente gibt. Aber es ist auch Platz für Improvisation. Für uns ist das nicht nur eine Tanz-Perfomance, sondern eher eine Klang-Perfomance.

Was wünschen Sie sich für Ihr Publikum?

Victor: "Das Publikum kann eine Erfahrung machen, mit der Harmonie zwischen Körper, Klang und Stimme." Icaro: "Dass es die Verbindung mit Lateinamerika, dem Dschungel und der Mythologie fühlen kann."

Dieses Thema im Programm: buten un binnen, 4. März 2022, 19:30 Uhr