Bremer Gewoba vergibt trotz Betrugsvorwürfen Auftrag an Unternehmer

Bild: Imago | Eckhard Stengel

Ein niederländischer Generalunternehmer schuldet Bremer Handwerkern Hunderttausende Euro. Das Wohnungsunternehmen hat ihm trotzdem einen weiteren Auftrag erteilt.

Seit über einem Jahr warten Handwerksbetriebe aus Bremen auf Geld, das ihnen nach Fertigstellung von Gewoba-Projekten zusteht. Das städtische Bremer Wohnungsunternehmen hatte für mehrere Bauprojekte einen holländischen Generalunternehmer eingesetzt, der Handwerkerrechnungen in Höhe mehrerer Hunderttausend Euro nicht beglichen hat. Stattdessen finanzierte er offenbar in den Niederlanden ein millionenschweres Luxusprojekt. Die Staatsanwaltschaft prüft derzeit die Vorwürfe gegen den Mann aber auch gegen mögliche Verantwortliche bei der Gewoba.

Wie kann es sein, dass die Gewoba dieses Unternehmen für einen geeigneten Generalunternehmer hält?

Rechtsanwalt Thomas Voigt

Tischlermeister Lars Obermeyer fühlt sich von der Gewoba im Stich gelassen. Das Bremer Wohnungsunternehmen habe ihn vor rund drei Jahren überredet, den Auftrag für ein mehrere Neubauten umfassendes Gewoba-Projekt in Bremen-Osterholz zu übernehmen. Dabei sollte nicht wie sonst üblich die Gewoba der Vertragspartner sein, sondern ein holländischer Generalunternehmer namens Johannes Bernardus Hogenberg und seine Firma Liason. 

Lars Obermeyer berichtet, die Gewoba-Verantwortlichen hätten ihm seinerzeit die Bedenken gegenüber dem ihm unbekannten Bauunternehmer nehmen wollen. "Sie haben mir gesagt, im Zweifel stehen schließlich wir als Gewoba hinter der Sache", berichtet Obermeyer. Doch es sei anders gekommen. Buten un binnen sind mittlerweile vier Handwerksbetriebe bekannt, die auf Geld von Johannes Hogenberg warten. Mit über einer halben Million Euro steht Liason nach Angaben der Betriebe in der Kreide. Ein Vollstreckungsverfahren gegen Liason-Chef Johannes Hogenberg habe ergeben, dass das Bauunternehmen des Holländers offiziell mittellos sei, berichten die Handwerker.

Die Gewoba sieht sich nicht zuständig für den Zahlungsausfall

Die Gewoba sieht sich nicht zuständig für den Zahlungsausfall der Handerwerker. "Der Vorstand (…) bedauert es, dass im Zuge eines Gewoba-Bauvorhabens Handwerksunternehmen von ihrem Auftraggeber nicht ordnungsgemäß für ihre Leistungen honoriert wurden", heißt es auf Anfrage. Allerdings habe seitens der Gewoba ausschließlich ein Vertragsverhältnis zur Firma Liason bestanden. Eine Übernahme von etwaigen ausstehenden Zahlungen an die Nachunternehmer, die von Liason beauftragt worden sind, könne die Gewoba nicht leisten, da kein Vertragsverhältnis mit den Handwerksunternehmen bestehe. Insgesamt hat die Gewoba nach eigenen Angaben dem holländischen Unternehmen rund 17 Millionen Euro netto zur Umsetzung der Bauvorhaben überwiesen.

Der Vorstand (…) bedauert es, dass im Zuge eines Gewoba-Bauvorhabens Handwerksunternehmen von ihrem Auftraggeber nicht ordnungsgemäß für ihre Leistungen honoriert wurden.

Aus einem Statement der Gewoba
Holzhäuser von der Gewoba in Tenever
Diese Häuser in Osterholz-Tenever baute der Generalunternehmer – die Bremer Handwerker blieben auf ihren Rechnungen sitzen. Bild: Radio Bremen

Der holländische Unternehmer Johannes Hogenberg reagiert nicht auf unsere Interview-Bitte. Buten un binnen-Recherchen ergeben, dass unter maßgeblicher Führung des Niederländers in den vergangenen Jahren ein buntes Firmengeflecht mit Sitz in Bremen entstanden ist. Neben Bautätigkeiten umfasst es Corona-Testzentren und eine Leiharbeitsfirma – fast alle Betriebe sind unter derselben Adresse in der Bremer Obernstraße gemeldet. Als geschäftsführende Personen setze Johannes Hogenberg bevorzugt Familienmitglieder oder Bekannte ein, berichtet jemand, der in enger geschäftlicher Beziehung mit dem Niederländer steht. Hogenberg bestimme allerdings eindeutig, wie vorgegangen werde.

Buten un binnen liegen Kontoauszüge aus der Firmengruppe vor, wonach zuletzt große Summen an ein Projekt in den Niederlanden abgeflossen sind. Bei dem Projekt handelt es sich um ein Hotel, das innerhalb der vergangenen drei Jahre in einer alten Kirche entstanden ist. Der niederländischen Lokalpresse ist zu entnehmen, dass Johannes Hogenberg das millionenschwere Vorhaben in Eigenregie umsetzt. 

Gewoba will keine bedenklichen Hinweise gehabt haben

Die geprellten Bremer Handwerker haben drängende Fragen an die Gewoba. "Wie kann es sein, dass die Gewoba dieses Unternehmen für einen geeigneten Generalunternehmer hält?", fragt Rechtsanwalt Thomas Voigt, der einen der Handwerksbetriebe vertritt. Die Gewoba erwidert auf Anfrage, man habe das holländische Unternehmen im Vorfeld umfangreich geprüft und keine bedenklichen Hinweise entdecken können. 

Außerdem beschäftigt die Handwerker die Frage, warum die Gewoba trotz der Zahlungsausfälle ein zweites Projekt im Baugebiet Gartenstadt Werdersee an den holländischen Generalunternehmer vergeben hat. Dort seien erneut Handwerksbetriebe auf ihren Rechnungen sitzengeblieben. Diese Frage richteten die Handwerker unter anderem an die Gewoba-Aufsichtsratschefin und Bausenatorin Maike Schaefer (Grüne). Die Senatorin antwortete im Juni schriftlich: "Die Gewoba hat im September 2020 (…), als noch keine Beschwerden von Handwerksbetrieben über ausstehende Zahlungen der Firma Liason Nederland B.V. vorlagen, im Bauprojekt Gartenstadt Werdersee (…) eine Ausschreibung durchgeführt." Buten un binnen liegt allerdings Mailverkehr vor, wonach Gewoba-Mitarbeiter bereits vor der zweiten Auftragsvergabe von den Zahlungsschwierigkeiten des holländischen Generalunternehmers wussten.

Hatte Johannes Hogenberg Insiderinformationen?

Aus dem gewerblichen Umfeld Johannes Hogenbergs heißt es, dass der holländische Unternehmer gegenüber seiner Belegschaft behauptet habe, Insiderinformationen von einem Gewoba-Mitarbeiter erfahren zu haben. Auf diese Weise habe er die Ausschreibungen für sich entscheiden können.

Die Gewoba hat nach eigenen Angaben über solche angeblichen Indiskretionen keine Kenntnis. Das Unternehmen betont, dass seine Organisationsstrukturen bewusst so angelegt seien, um genau solche Indiskretionen zu vermeiden.

Betroffene Handwerker haben den Generalunternehmer und die Gewoba angezeigt

Mittlerweile beschäftigt sich die Staatsanwaltschaft mit den Vorgängen. Betroffene Handwerker haben den Generalunternehmer wegen Betrugs und die Gewoba wegen Beihilfe zum Betrug angezeigt. Noch seien dies allerdings nur unbestätigte Vorwürfe, betont ein Sprecher der Ermittlungsbehörde. Die Staatsanwaltschaft sieht sich erst am Anfang der Ermittlungen.

Die geprellten Handwerker rechnen nicht damit, Ihr Geld von Johannes Hogenberg wiederzusehen. Worauf sie hoffen ist, dass die Gewoba ihr angebliches Versprechen wahrmacht und für den von ihr eingesetzten Generalunternehmer einspringt. Sowohl die Gewoba, als auch die Gewoba-Aufsichtsratsvorsitzende Maike Schaefer machen allerdings deutlich, dass sie dazu keinen Anlass sehen.

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Dieses Thema im Programm: buten un binnen, 22. Juli 2022, 19:30 Uhr