Bremerhavener Gastro-Branche: Preise steigen, Trinkgelder sinken

Münzen, ein Geldschein und eine Rechnung liegen neben einer leeren Kaffeetasse auf einem Tisch.

Die Preise steigen, das Trinkgeld fällt

Bild: dpa | Tobias Hase

Das Verhalten beim Trinkgeld hat sich verändert, beobachten Gastronomen. Ein Stimmungsbild aus der Branche in Bremerhaven, wo Mitarbeitenden entscheidende Einnahmen fehlen.

Das Leben ist in den letzten Monaten deutlich teurer geworden. Supermarkt, Tankstelle oder Gastronomie: An allen Ecken und Enden ist die Entwicklung in Zeiten von Pandemie, Krieg und Inflation spürbar. Aber wie wirken sich steigende Preise eigentlich aufs Trinkgeld aus – geben die Menschen beim Bier in der Kneipe oder der Pizza im Restaurant automatisch mehr, um bei den gängigen zehn Prozent zu bleiben? Oder wird es weniger, weil das eigene Geld immer knapper wird? Ein Blick in die Bremerhavener Gastro-Branche.

Alte Bürger, ein Abend unter der Woche. Es ist wieder Leben in Bremerhavens Kneipenstraße. Kein 2G, kein 3G – und trotzdem gibt es bei den Arbeitenden im Gaststättengewerbe ein großes Problem: Das Trinkgeld. "Man merkt das definitiv", sagt ein Gastronom, der lieber anonym bleiben möchte.

Ich sag' mal so: Der schlechteste Monat vor Corona ist heute mein bester. Das Trinkgeld hat sich verändert. Sehr. Es wird von Jahr zu Jahr schlimmer und schlimmer. Also weniger und weniger.

Anonymer Gastronom, Bremerhaven

So wenig Trinkgeld wie noch nie

Seit über 20 Jahren arbeitet der Mann in der Gastronomie. So ein geringes Trinkgeld wie aktuell habe er noch nie bekommen. Zwar steigen derzeit auch oft die Preise in den Speisekarten – bei dem Gastronomen bleibt am Ende des Monats aber trotzdem deutlich weniger Geld übrig. Dennoch: Er hat Verständnis für das geringe Trinkgeld seiner Gäste.

"Natürlich muss man auch die Leute verstehen", so der Gastronom. Alles andere werde auch teurer, im Lebensmittelmarkt zahle er fast das Doppelte wie vor drei, vier Jahren. "Die Gehälter sind aber da stehen geblieben und wir Kellner und Gastronomen sind ja schon irgendwie abhängig vom Trinkgeld."

Mitarbeitende sind abhängig vom Trinkgeld

Eine Frau sitzt an einem Schreibtisch.
Gewerkschafterin Iris Münkel fordert Gehaltserhöhungen in der Gastronomie. Bild: Radio Bremen | Leonard Steinbeck

Genau da ist das Problem, sagt Iris Münkel von der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten NGG. Noch immer sei der Lohn in der Gastronomie teilweise so gering, dass die Mitarbeitenden auf das freiwillige Trinkgeld ihrer Gäste angewiesen seien. "Das Trinkgeld darf nicht der so wichtige Bestandteil bleiben", fordert Münkel. "Sondern das müssen die Endgehälter sein."

Auch sie beobachtet, dass das Trinkgeld in vielen Restaurants und Kneipen immer weniger wird. Schon vor Corona sei dieser Trend zu erkennen gewesen. Seit dem Krieg in der Ukraine und der steigenden Inflationsrate in Deutschland, habe er sich jedoch noch einmal verschärft.

Den Gästen empfehle ich, dass wenn sie können, sie die Arbeitsleistung wertschätzen, die die Kolleginnen leisten. Und ich bleibe bei den zehn Prozent. Das ist eine freiwillige, aber doch sehr wertschätzende Geste.

Iris Münkel, NGG

Trinkgeld auch als Wertschätzung

Ein Mann in Schürze steht zwischen Tischen und Bänken in einer Gaststätte.
Gastronom Alexis Vaiou stellt einen Rückgang des Trinkgeldes fest. Bild: Radio Bremen | Leonard Steinbeck

Eine wertschätzende Geste, an die sich viele Gäste nach eigener Aussage halten. Hört man sich in der Alten Bürger um, sagen viele, sie würden weiterhin gutes Trinkgeld geben – trotz steigender Preise. "Bei mir hat sich da nichts geändert, das Trinkgeld liegt immer noch bei zehn Prozent, so wie vorher auch", sagt einer. "Bis jetzt kann ich mir das noch leisten", sagt ein anderer. "Und da die Arbeit nicht so gut bezahlt wird, wie eine Fachkraft, schätze ich, dass die das noch nötig haben."

Bei den Menschen, bei denen das Trinkgeld ankommt, ist die Wahrnehmung eher eine andere. Alexis Vaiou ist Chef vom griechischen Restaurant "Olympisches Feuer" an der Bremerhavener Hafenstraße. Auch er bestätigt: Die Gäste geben nicht mehr so viel.

Das Trinkgeld wird weniger. Was soll man machen? Wenn die Leute nichts haben, kann man ihnen auch nichts aus der Tasche ziehen. Ich habe Verständnis.

Alexis Vaiou, Restaurant "Olympisches Feuer"

Autoren

Dieses Thema im Programm: Bremen Zwei, Der Nachmittag, 16. Juni 2022, 16:35 Uhr