Interview

Durchbruch in der "Höhle der Löwen": So startet diese Bremerin durch

Ein Sattelgelenk soll die Rad-Branche revolutionieren, geht es nach Iris-Sabine Langstädtler von Freibeik in Sebaldsbrück. Sie erzählt, wie es bei und nach der TV-Show "Höhle der Löwen" war.

Iris-Sabine Langstädtler kennt sich aus mit Fahrrädern. In ihrem Sebaldsbrücker Fahrradladen verbringt sie viel Zeit zwischen Drahteseln und Radfahrerinnen und Radfahrern – und kam dadurch auf eine Idee, mit der sie in der Fernsehshow "Die Höhle der Löwen" überzeugte. buten un binnen hat die Erfinderin von Freibeik erzählt, welche Hürden sie nehmen musste und wie ihre Zusammenarbeit mit den Löwen war.

Iris-Sabine Langstädtler mit ihrem Fahrradsattel-Gelenk
In der "Höhle der Löwen" startete Iris-Sabine Langstädtler mit Freibeik und ihrem Fahrradsattel-Gelenk durch. Bild: Iris-Sabine Langstädtler

Sie haben in der TV-Show "Die Höhle der Löwen" die Investoren begeistert. Vor Ihnen ging es anderen ähnlich, dann kam der Deal aber doch nicht zustande. Wie ist es bei Ihnen?

Ja, der Deal mit den Investoren kam wirklich zustande. Wenn die nicht irgendwas störend finden, dann war das für uns klar. Wir haben uns ja sehr gut vorbereitet, ich hatte ja eigentlich sieben Jahre Vorbereitung. Und ich habe ihnen nichts gesagt, was nicht Hand und Fuß hatte. Unser Produkt habe ich auch patentieren lassen – und ich habe gedacht: "Wenn die probefahren, dann kann nichts mehr schiefgehen." Man muss sich ja darauf wohlfühlen, in jede Richtung das Gefühl haben, dass man nicht allein gelassen wird und begleitet wird von dem Sattel. Das darf auf keinen Fall wackelig sein – und das kann man erst spüren, wenn man drauf sitzt.

War bei Ihnen im Laden nun einiges los am Tag nach der Sendung?

Bis heute. Der Laden ist richtig voll. Wir sind froh, dass wir überhaupt noch Gelenke da haben, online sind sie überall komplett ausverkauft. Und nicht nur im Laden war was los. Soll ich Ihnen was sagen? Ich habe zwei Handys verloren, weil sie kaputt gegangen, die sind verraucht, ich habe die nicht mehr hochgefahren bekommen. Da konnte ich weder die Glückwünsche von unseren Investoren empfangen noch von anderen die SMS. Ich war verzweifelt, aber wir konnten am Ende alle Daten retten.

Was wollen die vielen Menschen denn von Ihnen?

Sie haben Fragen zum Produkt, oder einfach Glückwünsche, weil sie uns toll fanden. Ich habe das Gefühl, dass wir Deutschland bewegt haben mit unserem Auftritt (lacht). Manchmal machen Menschen einfach die Tür zum Laden auf und sagen: "Wir haben Sie gesehen, toller Auftritt."

Kommen wir zu Ihrem Auftritt: Da sehen die TV-Zuschauer ja nur einige Minuten. Wie lange dauert das wirklich?

Manchmal eine halbe Stunde, manche kommen nach zwei Stunden wieder raus. Das hängt davon an, wie sehr das Produkt hinterfragt wird. Ich habe es empfunden wie 20 Minuten, aber es war viel länger.

Und wie sie sind die "Löwen"? Sie haben den Deal ja mit Ralf Dümmel und Carsten Maschmeyer gemacht.

Schon beim ersten Treffen war das ein supernettes Verhältnis. Mit Ralf Dümmel haben wir acht Stunden an einem Tisch gesessen. Dieser Mann, der so viel um die Ohren hat, der nimmt sich die Zeit. Ich habe das Gefühl gehabt, dass wir so gut befreundet sind, als wären wir in eine Klasse gegangen. Und Carsten Maschmeyer hat uns angerufen, gleich nach der Show auf dem Weg nach Hause und hat gefragt, ob wir auch alles mitbekommen haben. Das ist ein tolles Team.

Was genau haben die Löwen denn für Sie getan?

Die haben uns bei allem unterstützt, um aus der kleinen Serie, die wir bis dahin hatten, eine große Produktion auf die Beine zu stellen. Da muss man sich erst mal Gedanken machen: "Wie kann man produzieren?" Wir haben Konstruktionszeichnungen gemacht. Uns gefragt, wie man das auch seitlich flankieren kann durch Studien – wir haben eine große Studie in Auftrag gegeben. Wir haben das ganze Produkt noch mal durchleuchtet.

Es gibt ja noch das Drumherum mit Marketing, womit ich mich ja anfangs auch noch nicht gut auskannte. Wir haben ein Paket bekommen, in Bezug auf das Netzwerk, im Netz präsent sein, was man auch auf die Beine stellen muss. Von beiden Seiten haben wir richtig gute Unterstützung bekommen.

Sie haben ja bis zu diesem Durchbruch eine lange Reise mit ihrem Produkt gemacht. Und sogar eine Immobilie verkauft und mehr als 100.000 Euro investiert. Da muss man schon sehr überzeugt sein von der eigenen Erfindung.

Ja, das Produkt ist mit einem Immobilienverkauf unterstützt worden. Es ist tatsächlich so, dass wir das in der Familie besprochen haben. Weil man leider von Banken in der Entwicklungsphase nicht unterstützt wird, in keiner Weise. Weil Banken sagen: "Entwicklungskosten sind nicht skalierbar." Dann macht man einen Prototypen nach dem anderen, aber wenn es nicht funktioniert, dann hätten die Banken in etwas investiert, was sie nicht veräußern können.

Wie sind Sie denn überhaupt auf Ihre Idee gekommen?

Ich bin ja 2015 auf diese Idee gekommen, durch das Reiten. Nicht während ich auf dem Pferderücken saß, aber weil ich beweglicher werden wollte. Ich wollte meinen Pferden nicht in den Rücken fallen. Und dann habe ich mich mit Biomechanik beschäftigt. Fürs Reiten gibt es Anleitungen, wie man sich trainieren kann, um beweglich zu werden und den Bewegungen des Pferderückens folgen zu können. Weil wir junge Pferde haben, dachte ich, ich muss richtig gut trainieren. Und die Menschen am Tresen in unserem Fahrradladen, die erzählen es mir andersherum. Die Kunden haben etwas Steifes unter sich und sie klagen: "Der Po tut weh, der Rücken schmerzt und so weiter." Jeder kennt das. Und das ist doch Ergonomie, wenn der Körper sich mit einer Maschine, einem festen Körper, angleichen kann. Das ist ja nicht der Fall beim Fahrrad.

Was ist den anders an Ihrer Erfindung das Besondere?

Meine Erfindung ist ein Gelenk, das unter dem Fahrradsattel sitzt. Es wird unter den Sattel montiert wie eine normale oder eine gefederte Sattelstütze und bewirkt, dass der Sattel sich um 15 Grad in jede Richtung mit dem Fahrradfahrer mitbewegt. Das heißt, er kann sich vorne und hinten, links und rechts und auch horizontal mitdrehen. Jedoch begrenzt und abgefedert, sodass man nicht wie auf einer Kugel sitzt, aber die volle Bewegungsfreiheit hat, die Körper braucht, um einen runden Bewegungsablauf auszuführen, mit seitlichen Drehbewegungen in Form einer runden Acht.

Sie hatten ja eine Immobilie. Was raten Sie Gründerinnen und Gründern, die selbst kein Kapital haben für ihre Ideen?

So bin ich ja auch angefangen, und ich habe es nicht in Betracht gezogen, dass wir einmal so weit gehen. Die Ideen kommen ja irgendwo her – und jeder sollte sie aus eigener Kraft so weit voranbringen, dass man möglichst viel mit wenig Mitteln präsentieren kann, um andere zu begeistern. 2018 war ich auch vorstellig beim Innovationswettbewerb "Ideen für Bremen", da habe ich den ersten Platz gemacht. Ist die Idee gut, dann findet man auch den Nächsten, der einen ein kleines Stückchen weiterbringen kann. Bis zur ersten Großinvestition, die viel später kam, habe ich mich so durchgeschlagen.

Welche Hürde haben Sie abgesehen von fehlendem Kapital gehabt in den sieben Jahren?

Na ja, wissen Sie, wenn man so Männern gegenüber sitzt, dass man so auf das Frausein reduziert wird. Sie glauben nicht, wie vielen Männern, das waren ja teilweise Ingenieure, ich gegenüber saß, die das infrage gestellt habe. Wo man gedacht hat "Jetzt hör' doch mal zu! Steig' auf und fahr' damit." Es war so schwer für mich. Diese Gespräche, die man hat und wo die Menschen denken: "Das war immer so, das muss so bleiben." Wenn sie zur Probe gefahren sind, haben sie es verstanden. Dieser Durchbruch, dass ich das geschafft habe, das ist mein persönliches Highlight.

Die letzte Frage ist sicherlich indiskret. Aber bei Start-ups neigen viele dazu, zu denken, dass man mit einer einzigen Idee reich werden kann. Haben Sie es geschafft?

Vielleicht ist jetzt auch merkwürdig für Sie, wie ich antworten werde. Mein größter Traum ist, dass jedes Fahrrad auf der Welt dieses Gelenk drin hat. Weil ich weiß, dass es gut ist. Ich möchte einfach, dass es so ist. Und wenn wir unser warmes Mittagessen haben und weiter leben wie jetzt, dann bin ich der glücklichste Mensch der Welt. Mein Ziel ist nicht in erster Linie, dass ein Geldsegen kommt. Ich würde es auch sofort wieder investieren.

Autorinnen und Autoren

  • Autorin
    Birgit Reichardt Redakteurin und Autorin
  • Marcus Rudolph
    Marcus Rudolph
  • Autorin
    Maike Piesker Studentische Redakteurin

Dieses Thema im Programm: Bremen Eins, der Tag, 3. Mai 2022, 16:40 Uhr