Fragen & Antworten

Taugt Fracking in der Bremer Region als Alternative zum Russland-Gas?

Bild: Imago | Anja Cord

In Niedersachsen wird über eine Wiederbelebung der Erdgasförderung durch die Technik debattiert. Was spricht dafür, was dagegen? Und was würde das für Bremen bedeuten?

Die Folgen des Ukraine-Kriegs wirken sich längst auf den Alltag der Bremerinnen und Bremer aus. Jüngstes Beispiel: Die für Juli angekündigte Preiserhöhung des Energieversorgers SWB, der die Gaspreise um 20 Prozent anhebt. Der Grund der Verteuerung liegt in der Verknappung des Gases, nachdem Russland in Zukunft als Lieferant ausfällt. Alternative Zulieferer kommen zum Beispiel aus Norwegen, den USA oder Katar. Ein LNG-Terminal, das verflüssigtes Gas per Schiff aus dem Ausland über Wilhelmshaven nach Bremerhaven und Bremen transportiert, ist schon geplant.

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    Das geplante Flüssiggas-Terminal in Wilhelmshaven liefert laut Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck auch wichtige Infrastruktur für eine künftige Umstellung auf Wasserstoff.

Darüber hinaus wird in Niedersachsen debattiert, ob die tief im norddeutschen Boden schlummernden Gasvorräte nicht gehoben werden könnten.

Das Problem: Dazu müsste das gesetzlich in Deutschland streng limitierte Fracking wieder belebt werden. Doch was ist Fracking überhaupt und was hat es mit Niedersachsen und Bremen zu tun? Die wichtigsten Antworten geben wir hier.

Was ist Fracking?

Das Wort Fracking ist ein Kurzwort für Hydraulic Fracturing, also das hydraulische Aufbrechen des Erdreichs, um Erdöl- oder Erdgaslagerstätten in meist 1.000 bis 5.000 Metern Tiefe auszubeuten. Dies geschieht durch Bohrungen, durch die unter hohem Druck mit Chemikalien versetztes Wasser in die Gesteinsschichten geleitet werden. So sollen Risse im Speichergestein erzeugt werden. Durch diese Risse fließt der Rohstoff, also zum Beispiel das Gas, dann zum Bohrloch und kann gefördert werden.

Ein LNG Terminal in der Ostsee
Das US-amerikanische Flüssiggas, das künftig russisches Gas ersetzen soll, wird zum Teil im Fracking-Verfahren gefördert. Bild: Imago | YAY Images

Warum wird wieder über das Fracking debattiert?

Den Anstoß, zu prüfen, "ob Fracking in Deutschland möglich ist", hat vor dem Hintergrund der Russland-Sanktionen ausgerechnet der bayerische Ministerpräsident Markus Söder (CSU) gegeben. Und das, obwohl es in Bayern praktisch keine nennenswerten Erdgasvorkommen gibt. Stattdessen liegen rund 95 Prozent der deutschen Erdgasvorräte in der norddeutschen Tiefebene in Niedersachen.

Dort hat nun allerdings im Landtag auch die FDP gefordert, "dass wir erneut über die Chancen, die im Fracking liegen, ergebnisoffen diskutieren". Ein Argument der Freidemokraten: Auch jetzt komme das Gas aus den USA, wo ebenfalls gefrackt werde, oder aus Katar, wo Menschenrechte verletzt würden.

Eine Argumentation, der sich auch die Unternehmerverbände Niedersachsen (UVN) anschließen. Sie fordern daher eine ergebnisoffene Diskussion ohne Denkverbote. "Da finde ich es fahrlässig, wenn wir jetzt schon wieder Fracking ausschließen", sagte der stellvertretende Hauptgeschäftsführer des UVN, Benedikt Hüppe, jüngst dem NDR.

Welches Potenzial hätte das Fracking?

Fast die gesamten deutschen Erdgas-Vorkommen schlummern in Niedersachsen. 5,3 Milliarden Kubikmeter Erdgas wurden hier 2020 gefördert. Sollte künftig auch das Fracking eingesetzt werden, könnte sich dieser Wert mittelfristig mehr als verdoppeln, schätzt die Industrie. Mit der auf mehr als zehn Milliarden Kubikmeter erhöhten Menge könnte dann gut ein Zehntel des deutschen Jahresbedarfs an Erdgas gedeckt werden. Zum Vergleich: Dem Bundeswirtschaftsministerium zufolge liegt Russlands Anteil am deutschen Erdgasverbrauch derzeit noch immer bei 35 Prozent.

Wo wurde im Raum Bremen schon gefrackt?

In Niedersachsen fand die erste Fracking-Maßnahme 1961 statt. Seitdem haben Erdgasproduzenten dem niedersächsischen Landesamt für Bergbau, Energie und Geologie (LBEG) zufolge 350 so genannte "Frack-Behandlungen" durchgeführt, also nach Erdgas in dichtem Sandstein gebohrt. Dazu zählten auch Bohrungen im Bremer Süden bei Weyhe sowie im Bremer Westen zwischen Achim und Verden sowie im Landkreis Rotenburg.

Für das Land Bremen sind dem Bremer Umweltressort hingegen keine Probebohrungen bekannt. "Im dicht besiedelten Bremen mit den Naturschutz- und Landschaftsschutzgebieten drumherum wäre dies auch höchst unwahrscheinlich", sagt Ressortsprecher Jens Tittmann.

In den vergangenen Jahren wird die Technik ohnehin praktisch nicht mehr genutzt. Die letzten Bohrungen in Niedersachsen fanden 2011 in Sulingen südlich von Bremen statt. Die bislang letzten Bohrungen in Deutschland 2014 in Mecklenburg-Vorpommern.

Warum ruht die Technik in Deutschland derzeit?

Das Fracking hat spätestens seit dem nordamerikanischen Schiefergasboom seit der Jahrtausendwende viel Kritik und auch Bürgerproteste hervorgerufen. Dabei geht es vor allem um zwei Aspekte: Erstens besteht Kritikern zufolge die Gefahr, dass das mit Chemikalien versehene Wasser durch undichte Bohrrohre austritt. Dies könnte grundwasserführende Schichten verunreinigen, die in der norddeutschen Tiefebene bis zu 400 Meter unter der Oberfläche liegen. Bislang habe es in Niedersachsen allerdings noch keine Hinweise auf solche Verunreinigungen gegeben, teilt das niedersächsische Landesamt für Bergbau, Energie und Geologie (LBEG) mit.

In der nähe von Groningen protestiert das Bündnis Code Rood gegen die lokale Gasförderung welche zu einigen Erdbeben geführt hat.
Fracking-Gegner in Groningen: Die Fördertechnik wird nicht nur in Deutschland scharf kritisiert. Bild: Imago | Tim Wagner

Ein zweiter Kritikpunkt am Fracking sind die seismischen Erschütterungen, mit denen die Bohrungen in Verbindung gebracht werden. So kam in den Niederlanden, wo das Fracking bis heute verbreitet ist, schon 2015 ein Untersuchungsbericht zu dem Schluss, dass Erdbebenrisiken durch die Erdgasförderung im Raum Groningen jahrelang unterschätzt worden waren, wobei beteiligte Förderunternehmen und staatliche Stellen bei Prävention und Aufsicht versagt hätten.

In Deutschland hat die Bundesregierung auch aufgrund dieser Kritik 2016 die Voraussetzungen für das Fracking im Berg-, Wasser- und Naturschutzrecht deutlich verschärft.

Wäre Bremen von einer Wiederbelebung des Frackings betroffen?

Eher nicht. Zwar ist Bremen bei der Wasserversorgung vom niedersächsischen Umland abhängig. So stammt beispielsweise das Trinkwasser für mehr als 100.000 Bremerinnen und Bremer aus der Rotenburger Rinne, einem Wasserreservoir aus der Eiszeit. Dort dürfte seit der neuen, strengeren Gesetzgebung aus dem Jahr 2016 aber gar kein Fracking mehr stattfinden.

Und auch die Wahrscheinlichkeit, dass aus potenziellen Frackinggebieten seismologische Erschütterungen oder Erdbeben Bremen erreichen könnten, schätzen Experten als gering ein. "Fracking ist etwas sehr Lokales", sagt Klaus Prietzel, Vorstand beim BUND Bremen. Das Risiko werde erst größer, wenn viele Bohrungen in einem Gebiet durchgeführt würden.

Wie stehen die Chancen für eine Wiederbelebung der Technik?

Die niedersächsische Landesregierung hat sich bereits gegen das Fracking ausgesprochen. Fracking im tief liegenden Schiefergestein sei "unvorstellbar", sagte der niedersächsische Energieminister Olaf Lies (SPD) dem NDR. Es trage weder zum Klimaschutz bei, noch sei es eine sinnvolle Brücke zu den Erneuerbaren. "Wir würden damit nur das fossile Zeitalter verlängern", so Lies. Auch Niedersachsens Wirtschaftsminister Bernd Althusmann (CDU) schließt die umstrittene Technik aktuell aus.

Ähnlich sieht es das Bremer Umweltressort.

"Fracking wird uns kurzfristig nicht bei der Energieabhängigkeit von Russland weiterhelfen."

Maike Schaefer (Grüne), Bremer Umweltsenatorin

Um die notwendigen Klimaschutzziele zu erreichen, müsse stattdessen mittel- und langfristig auf erneuerbare Energien gesetzt werden, sagt Bremens Umweltsenatorin Maike Schaefer (Grüne). "Da ist Fracking, das enorme Umweltbelastungen mit sich bringt, komplett kontraproduktiv."

Auch gesellschaftlich sehen Experten keine Mehrheit für entsprechende Gedankenspiele. "Die Absage an das Fracking war schon vor zehn Jahren sehr deutlich – nicht nur in Niedersachsen, sondern auch in Nordrhein-Westfalen und bundesweit", sagt Umweltschützer Klaus Prietzel.

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Bild: Radio Bremen

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Dieses Thema im Programm: buten un binnen, 5. Mai 2022, 19:30 Uhr