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Bremer Wissenschaftler im Netz von Scheinverlegern

Unseriöse Scheinverleger lassen sich von Wissenschaftlern bezahlen, um deren Forschungsergebnisse zu veröffentlichen. Auch Bremer Forscher haben in solchen Fake-Magazinen publiziert. Dahinter steckt ein weltweiter Skandal.

Bild: DPA | Jens Kalaene

Mehr als 5.000 deutsche Wissenschaftler haben in scheinwissenschaftlichen Zeitschriften publiziert. Weltweit sind mehr als 400.000 Forscherinnen und Forscher betroffen – auch diverse Bremer. Vom Doktoranden bis zum Professor, quer durch alle Fachgebiete: In den vergangenen Jahren sind Arbeiten von Dutzenden Wissenschaftlern der Universität Bremen, der Jacobs University und anderer wissenschaftlicher Einrichtungen bei scheinwissenschaftlichen Verlegern erschienen. Das ist das Ergebnis einer Recherche von NDR, WDR und "Süddeutscher Zeitung" in Kooperation mit Radio Bremen. Ein Name sticht heraus: Bernd Scholz-Reiter, Rektor der Universität und der einzige Vorsteher einer deutschen Hochschule, dessen Name auf Beiträgen bei sogenannten Scheinverlagen auftaucht. Zwischen 2009 und 2014 waren es insgesamt 13 Veröffentlichungen.

Pseudo-Verleger benutzen Namen bekannter Forscher

Die Scheinverleger geben sich hochtrabende Namen: "World Academy of Science, Engineering and Technology" (WASET) oder auch "World Scientific and Engineering Academy and Society"(WSEAS). Doch der Schein trügt: Die Verleger ignorieren wissenschaftliche Regeln. Für ihr Geschäft nutzen sie den Trend zum "Open Access" – den öffentlichen Zugang zu wissenschaftlichen Artikeln für alle. Im "Open-Access"-Modell bezahlen nämlich die Autoren den Verlag für eine Veröffentlichung, diese bietet der Verlag den Lesern dann kostenlos an.

Die Wissenschaftlichkeit der Beiträge überprüfen die Scheinverleger nicht. Eingereichte Beiträge akzeptieren sie nach wenigen Wochen oder Tagen. Ein sogenanntes Peer Review-Verfahren, also eine Überprüfung des Manuskripts durch andere Wissenschaftler, das normalerweise Monate dauert, gaukeln sie nur vor. Zudem listen sie seriöse Forscher als Herausgeber ihrer Journale auf, oft ohne deren Wissen. So schrieb uns der Informatikprofessor Dietrich Klakow von der Universität des Saarlandes, er sei nie gefragt worden und auch nicht damit einverstanden, in der Redaktionsleitung eines Journals beim Verleger WSEAS aufgeführt zu werden.

Uni-Rektor Reiter: Verlage hatten seriösen Eindruck gemacht

Der Rektor der Universität Bremen, Bernd Scholz-Reiter
Bernd Scholz-Reiter, Rektor der Universität Bremen, würde nach eigenen Angaben heute nicht mehr bei den sogenannten Scheinverlegern veröffentlichen. Bild: Radio Bremen

Die Veröffentlichungen von Bremens Universitäts-Rektor Scholz-Reiter stammen größtenteils aus seiner Zeit als Chef des Bremer Instituts für Produktion und Logistik (BIBA), das er bis 2012 geleitet hat. Der Wirtschaftsingenieur verteidigt seine Publikationen bei den Scheinverlegern heute damit, dass sie zum damaligen Zeitpunkt einen seriösen Eindruck gemacht hätten: "WASET hat für sich in Anspruch genommen, dass alle Veröffentlichungen einem Peer Review-Verfahren unterzogen werden.“ Es habe keinen Grund gegeben, an der Seriosität dieser Verlage zu zweifeln, auch aufgrund der mangelnden Erfahrung mit ihnen.

Mir waren die heute gegen WASET vorgebrachten Vorwürfe nicht bekannt. In den letzten Jahren habe ich dann natürlich die Berichterstattung über die Praxis von Scheinverlegern mitverfolgt. Heute würde ich eine Veröffentlichung bei WASET nicht mehr in Betracht ziehen.

Bernd Scholz-Reiter, Rektor der Universität Bremen

Wer sich allerdings auch schon damals die Internetseiten der Pseudo-Wissenschaftsverleger angeschaut hat, hätte stutzig werden müssen, nicht nur wegen des fehlenden Impressums. Die Seite von WASET sah bereits zu jener Zeit aus wie ein Reisekatalog, bietet das Unternehmen doch jedes Jahr dutzende Konferenzen an in Städten wie Rio de Janeiro, Rom oder Melbourne. Ein weiterer Geschäftszweig, den Wissenschaftler nutzen, um ihr wissenschaftliches Ansehen aufzupolieren. Denn die Teilnahme an wissenschaftlichen Konferenzen ist dafür durchaus förderlich.

Grundsätzlich befürwortet Uni-Rektor Scholz-Reiter weiterhin, dass Wissenschaftler ihre Forschungsergebnisse möglichst vielen Lesern zur Verfügung stellen. Das schreibt er in einer Stellungnahme. Prinzipiell seien sogenannte Open Access-Verlage deshalb eine gute Idee.

Wissenschaftler suchen sich offenbar selten Rat

Waset-Homepage als Screenshot
Die Internetpräsenz des pseudo-wissenschaftlichen Magazins "WASET" mutet wie ein Reise-Portal an. Bild: Waset

Inzwischen klärt auch die Universität Bremen über solche Praktiken auf. Mitarbeiter haben die Möglichkeit, sich an die eigene Staats- und Universitätsbibliothek zu wenden. Dort informiert Benjamin Ahlborn über das Thema Scheinverleger. Nach eigenen Angaben wird er aber nach wie vor selten um Rat gebeten. Auch weil häufig im Alltag der Wissenschaftler keine Zeit bleibe.

Wenn wissenschaftliche Arbeiten bei Scheinverlegern veröffentlicht werden, heißt das nicht automatisch, dass sie unwissenschaftlich sind. Es gibt nur keine Garantie dafür, weil Scheinverleger einfach alles veröffentlichen, was man ihnen in die Hand drückt, egal wie absurd der Inhalt ist. Das Vertrauen in die Wissenschaft geht durch solche Praktiken verloren.

Mehr zur ARD Recherche "Fake Science":

Autor

  • Yannick Lowin
    Yannick Lowin

Dieses Thema im Programm: buten un binnen, 19. Juli 2018, 19:30 Uhr

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