Fragen & Antworten

E-Flugzeuge und Bio-Kerosin: Wird Fliegen ab Bremen klimafreundlich?

Flugzeug mit vier Flügeln über den Wolken
Elektro-Flugzeugen wie diesem könnte zumindest auf Kurzstrecken-Flügen die Zukunft gehören. Bild: DLR

Das Fliegen muss klimafreundlicher werden. Wie das auf kurzen Strecken klappen kann, macht eine neue Bremer Fluglinie vor. Zugleich setzt der Bremen Airport auf Bio-Kerosin.

Rund zwei Liter Kerosin verbraucht ein modernes Flugzeug je 100 Kilometer – pro Sitzplatz. "Viel zu viel", sagen nicht nur Umweltschützer, sondern auch das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR). In einer kürzlich veröffentlichten Broschüre skizzieren DLR-Forscher daher den "Weg zu einer emissionsfreien Luftfahrt" bis zum Jahr 2050 und betonen, dass der Wandel bereits begonnen habe.

Bremen ist dafür ein gutes Beispiel. Eine neu gegründete Fluglinie mit elektrischen, überwiegend von Öko-Strom getriebenen Fliegern ist hier drauf und dran, ab zu heben. Auch der Bremer Flughafen beschreitet neue Wege, bietet den Fluglinien jetzt auch Bio-Kerosin an, nach eigenen Angaben als einer der ersten Flughäfen Europas. Über wichtige regionale und überregionale Entwicklungen hin zum emissionsfreien Fliegen sprachen wir mit dem Bremer Fluglinien-Gründer Florian Kruse und mit dem langjährigen Direktor des Instituts für Verbrennungstechnik des DLR, Manfred Aigner.

Was ist das für eine neue Fluglinie, die in Bremen gegründet worden ist?

Die Fluglinie heißt Evia Aero. Ziel des Unternehmens ist der Betrieb eines nachhaltigen regionalen Luftverkehrs in Europa. Innerhalb von fünf Jahren will die Airline ein Streckennetz mit rund 15 Verbindungen aufbauen. Gründer der Firma ist Florian Kruse, ehemals Prokurist des Bremer Flughafens. Hinter ihm steht nach eigenen Angaben "ein Expertengremium mit Vertretern aus den Bereichen erneuerbare Energien, Batterietechnik und Luftfahrtgesellschaften". Evia Aero setzt auf strombetriebene Flugzeuge mit bis zu 30 Sitzplätzen.

Gauhaariger Mann, Mitte 50, in Jacket lächelt für Portrait in Kamera
Gründer der Fluglinie Evia Aero: der Bremer Florian Kruse. Bild: Florian Kruse

Welche Städte werden die Flieger der Evia Aero konkret verbinden und welche Rolle soll Bremen dabei zufallen?

Evia Aero möchte regionale Zentren abseits der großen Drehkreuze des internationalen Flugverkehrs verbinden. "Wir werden ausschließlich Ziele anfliegen, die für größere Fluggesellschaften nicht ausreichend Potenzial bieten", sagt Kruse dazu. Evia Aero verhandele derzeit mit mehreren deutschen und europäischen Flughäfen, darunter auch mit dem Bremen Airport. Sollte Bremen letztlich dabei sein, so würde Evia Aero von hier aus Städte wie Brüssel und Kopenhagen anfliegen, sagt Kruse und fügt hinzu: "Der Bedarf für nachhaltigen Flugverkehr ist groß, das haben wir bei unseren Gesprächen mit den Flughäfen gesehen."

Denn viele kleinere Flughäfen hätten zuletzt, auch infolge der Corona-Pandemie, einige Routen verloren. Die Fluglinien hätten diese Verbindungen aufgegeben, weil es unwirtschaftlich für sie gewesen wäre, den Betrieb aufrecht zu erhalten. Kruse ist überzeugt davon, dass sich einige solcher Verbindungen mit kleinen, elektrisch betriebenen Flugzeugen, wie Evia Aero sie nutzen will, durchaus rentabel betreiben lassen. Auch, weil die modernen Elektroflieger vergleichsweise günstig zu warten seien.

Was hat Evia Aero als nächstes vor, um seine Ziele zu erreichen?

Evia Aero verhandele derzeit mit drei Flugzeug-Herstellern, um noch dieses Jahr Flugzeuge zu bestellen, sagt Kruse. Bei den Herstellern stünden in den kommenden Monaten Erstflüge mit Testmaschinen an. Mit der Zertifizierung der Flieger sei ab 2025 zu rechnen. Möglichst bald danach werde Evia Aero loslegen, so Kruse: "Wir wollen überwiegend mit regional erzeugtem Strom aus Photovoltaik-Anlagen fliegen", kündigt der Unternehmensgründer zudem an.

Wieso wird Evia Aero keine Ziele außerhalb Europas ansteuern?

Weil die Fluglinie ausschließlich mit kleinen, elektrisch betriebenen Flugzeugen fliegen wolle, nicht hybrid, sagt Kruse. Die Reichweite solcher Maschinen, die mit Großakkus ausgerüstet würden, sei begrenzt.

Älterer Herr mit Schnauzer, Hornbrille, Anzug und Krawatte vor großen Maschinen
Forscht zu strombasierten Kraftstoffen: Manfred Aigner, langjähriger Direktor des Instituts für Verbrennungstechnik der DLR. Bild: DLR

Was müsste geschehen, um auch Mittel- und Langstreckenflüge größerer Maschinen emissionsärmer zu gestalten?

Manfred Aigner, langjähriger Direktor des Instituts für Verbrennungstechnik des DLR, stellt klar: "Für größere Strecken auch innerhalb Europas wären Batterien zu groß und zu schwer." Strom komme daher nicht für den Antrieb entsprechender Maschinen infrage. Denkbar wäre hingegen, dass man kürzere innereuropäische Entfernungen im Flugverkehr mit Wasserstoff als Treibstoff bewältigen könnte. Doch auch dabei stoße man schnell an physikalische Grenzen: "Flüssiger Wasserstoff braucht fünfmal so viel Volumen wie Kraftstoff", erklärt Aigner. Für große Strecken führe daher an flüssigen Kraftstoffen kein Weg vorbei.

Allerdings käme dafür statt herkömmlichen Kerosins zunehmend auch synthetische Brennstoffe infrage, nachhaltig produzierte Flugkraftstoffe, bekannt als Sustainable Aviation Fuels (SAF). Im Unterschied zu konventionellen Brennstoffen würden diese Kraftstoffe aus Biomasse erzeugt.

Ist es für die Klimabilanz nicht unerheblich, ob ein Kraftstoff aus Biomasse gewonnen wird oder aus fossilen Brennstoffen?

Nein. Zwar setzen auch Kraftstoffe aus Biomasse wie Pflanzen Kohlendioxid bei der Verbrennung frei. Allerdings haben dieselben Pflanzen zuvor, während ihres Wachstums, nahezu ebenso viel Kohlendioxid aus der Luft aufgenommen. Der Bremer Staatsrat für Wissenschaft und Häfen, Tim Cordßen-Ryglewski, sagt daher, dass SAF während seines Lebenszyklus bis zu 80 Prozent weniger CO2-Emissionen verursache als herkömmliches Kerosin.

Beluga Airbus steht auf Rollfeld, davor ein Tankwagen
Der Beluga von Airbus wird in Bremen mit einer Mischung aus herkömmlichem und Bio-Kerosin betankt. Bild: Radio Bremen | Alexander Schnackenburg

Der Bremen Airport bietet seinen Fluglinien seit einigen Tagen Sustainable Aviation Fuel (SAF) zur Betankung der Flugzeuge an. Um was für Kraftstoff handelt es sich dabei?

Es handelt sich dabei um "grünes Kerosin", das aus nachhaltigen, alternativen Rohstoffen wie gebrauchten Ölen und Fetten gewonnen wird, erklärte Cordßen-Ryglewski dazu, als der Bremen Airport sein neues Tanklager für diesen Treibstoff am 10. Mai der Öffentlichkeit vorstellte.

Als erste Fluglinie nutzt in Bremen Airbus den neuen Treibstoff: für die Transportmaschine Beluga. Allerdings verwendet Airbus vorerst bei jeder Tankfüllung nur etwa 39 Prozent des neuen Treibstoffs, vermischt ihn mit herkömmlichem Kerosin. Der Grund dafür: Die Maschine sei noch nicht für eine reine SAF-Tankfüllung zugelassen, so ein Sprecher des Unternehmens. Man arbeite jedoch daran, die Maschinen auch mit einer 100-prozentigen SAF-Füllung fliegen zu dürfen.

Wird es auf lange Sicht noch umweltfreundlicheren Treibstoff geben, als ihn der Bremen Flughafen nun seinen Fluglinien anbietet?

Treibstoffexperte Manfred Aigner vom DLR kündigt SAF der dritten Generation an. Zum einen solchen, der aus Energiepflanzen wie Algen gewonnen werde. Zum anderen so genannte E-Fuels oder auch Power-to-Liquid-Kraftstoffe: synthetische Kraftstoffe, die aus Strom gewonnen werden können. "Das ist die Krönung", findet Aigner und fügt hinzu: "Mit 100 Prozent strombasierten Kraftstoffen wäre eine weitgehend klimaneutrale Luftfahrt möglich."

Der Weg dahin sei jedoch noch weit. Bislang würden entsprechende Kraftstoffe nur in Laboren produziert. Das DLR habe daher den Bau einer Forschungsanlage vorgeschlagen, die sich innerhalb von drei Jahren errichten ließe. "Bis 2030 könnte es möglich werden, strombasierte Kraftstoffe in großtechnischem Maßstab herzustellen", blickt Aigner in die Zukunft. Um aber den notwendigen Strom für die Erzeugung der erforderlichen Massenproduktion des strombasierten Kraftstoffs zu gewinnen, werde es sinnvoll sein, die Anlagen nicht in der Bundesrepublik Deutschland, sondern beispielsweise in nordafrikanischen Wüstenregionen zu errichten. Dort, wo nicht nur ein kräftiger Wind wehe und die Sonne ihre Kraft entfalte, sondern wo es auch viel Platz für große Solar- und Windenergieanlagen gebe. "Wir könnten dann das flüssige Endprodukt einführen", so Aigner.

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Bild: Radio Bremen
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    In den 1970er Jahren steckte Deutschland schon einmal in einer Energiekrise – damals ausgelöst vom Golfkrieg. So sah die Situation in Bremen aus.

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Dieses Thema im Programm: buten un binnen, 10. Mai 2022, 19.30 Uhr