Fragen & Antworten

Diese Gründe führten zum Abschied von Eisbär Lloyd aus Bremerhaven

Eisbär Lloyd hat Bremerhaven nach 20 Jahren verlassen. Wie der Abschied zustande kam, welche Rolle der Ukraine-Krieg spielte und wie es im Zoo am Meer weitergehen könnte.

Der Abgang von Eisbär Lloyd aus Bremerhaven kam für die Öffentlichkeit überraschend. Neun Stunden nach der unangekündigten Abfahrt kam der Tiertransport in Karlsruhe an. Laut Zoo am Meer erkundete das Tier dort noch am Abend entspannt seinen neuen Stall. Am nächsten Morgen betrat Lloyd die Außenanlage und stand erstmals seiner neuen Gefährtin Charlotte gegenüber – noch von einer Scheibe getrennt. Beide Tiere zeigten sich laut Zoo neugierig. Bis die Eisbären allerdings gemeinsam auf die 2.000 Quadratmeter große Anlage gelassen werden, soll es noch dauern. Für den Zoo am Meer ist es nach eigenen Angaben eine Mischung aus Abschiedsschmerz und Freude, das Tier in gute Hände gegeben zu haben. Doch wie kam es nun nach so vielen Jahren zu der Trennung?

Was genau hat für den Abgang von Lloyd aus Bremerhaven gesorgt?

Unter anderem die Zuchtsituation und Platzgründe. Die Eisbärenpopulationen in europäischen Zoos werden über das Europäisches Erhaltungszuchtprogramm (EEP) gemanagt. Die etwa 150 Eisbären an 55 Standorten in europäischen Zoos sollen genetisch möglichst vielfältig gezüchtet werden, sagt die Direktorin des Zoo am Meer, Heike Kück. Ein koordinierter Austausch der Tiere soll verhindern, dass Nachwuchs immer von den gleichen Paaren kommt, etwa von Lloyd und Valeska in Bremerhaven. Das EEP hat im Blick, welche Tiere zueinander passen, wo Platz frei ist und gibt dazu Empfehlungen ab. "Die Zucht ist in den letzten Jahren immer besser geworden", sagt Kück. Als 2019 die Eisbär-Zwillinge in Bremerhaven geboren wurden, habe es rund zehn weitere Jungtiere gegeben. Da Eisbären bis zu 40 Jahre alt werden können, sei das Management wichtig.

Eine Frau kniet vor der Scheibe eines Tiergeheges, dahinter steht ein Eisbär.
Zoodirektorin Heike Kück mit Jungtier Anna – vor 20 Jahren holte sie Lloyd nach Bremerhaven. Bild: Zoo am Meer

Nun ist die Zucht europaweit bis auf wenige Paare eingestellt worden. Auch zu den vier Jungtieren der Verbindung Valeska/Lloyd sollen laut EEP keine weiteren hinzu kommen. Da die Zwillinge Anna und Elsa weiterhin mit Mutter Valeska zusammenleben, weiter wachsen und mehr Platz brauchen, wurde es im Zoo am Meer zunehmend eng. Darum wechselte Lloyd nun auf Empfehlung des EEP nach Karlsruhe. Der Eisbär trifft auf Eisbärin Charlotte, die seit dem Tod ihres Partners alleine auf einer großen Anlage lebt. Eine weitere Zucht ist dort nicht geplant, dafür sorgt ein Verhütungsimplantat.

Welche Rolle spielt der Ukraine-Krieg?

Durch den Krieg fallen die russischen Eisbärhaltungen für den Austausch komplett weg, sagt die Zoodirektorin. Dort lassen sich nun keine Tiere mehr unterbringen und der Platz in europäischen Zoos wird durch den Nachwuchs der letzten Jahre knapper. Außerdem arbeitet die EEP-Koordinatorin im Zoo Moskau. Die Stellvertretung sitzt in Berlin, wo laut Kück nun vieles zusammenläuft.

Die europäische Zoogemeinschaft habe die Zusammenarbeit ausgesetzt, weil man keine Bären nach Russland bringen könne und dies zur Zeit auch nicht erwünscht sei. Das Land habe immer viel gezüchtet und durch Wildfänge oder mutterlose Jungtiere zur biologischen Vielfalt beigetragen, sagt Kück. Die Auswirkungen und wie es letztendlich weitergeht, müsse laut der Zoodirektorin nun abgewartet werden. Einen Zuchtstopp hätte es allerdings auch ohne den Krieg gegeben.

Wie geht es mit den Eisbären im Zoo am Meer weiter?

Ein generelles Zucht-Aus für den Zoo am Meer soll der momentane Stopp nicht sein. "Das habe ich bei dem EEP auch immer ganz deutlich und klar angemeldet, dass es für Bremerhaven schon extrem wichtig ist", sagt Kück. "Eisbären sind unsere Flagschifftiere, deswegen ist es wichtig, dass wir einen attraktiven Eisbärenbestand haben." Der sei zur Zeit absolut vorhanden, sagt die Zoodirektorin mit Blick auf Valeska und ihre Jungtiere. Der Abschied von Lloyd sei traurig, aber ohne das EEP wären weder er vor 20 noch Valeska vor zehn Jahren nach Bremerhaven gekommen. "Deswegen gehört es ganz klar dazu, dass man auch Eisbären abgibt, wenn es Sinn macht." Das sei bei den Jungtieren Lale und Lili der Fall gewesen und nun bei Lloyd.

"Wenn Valeska die Jungtiere vertreiben sollte, dann müssen wir neu denken", sagt Kück. Normalerweise bleiben Jungtiere etwa zwei Jahre bei der Mutter – bei Anna und Elsa sind es bald zweieinhalb. Ein Ende sei nicht absehbar. Und die gemeinsame Zeit werde durch den Abschied von Lloyd eher begünstigt, da keine neue Paarung anstehe.

Denkbar wäre laut Kück, dass irgendwann beispielsweise die Jungtiere alleine im Zoo verbleiben oder stattdessen ein neues Männchen zu Valeska stößt. Dies hänge von der Entwicklung ab. Auch, wie dann die Zucht wieder aufgenommen werden könnte. Ob es mit neuem Nachwuchs gleich wieder klappen würde, ist ohnehin offen. Dies sei in den vergangenen Jahren gelungen und etwas Besonderes. Bremerhaven haben die Jungtiere Aufmerksamkeit und ein Standing beschert. "Es wissen alle, dass wir es können", sagt Kück.

Immer wieder gibt es auch Kritik – was sagt die Zoodirektorin?

Zu wenig Platz, keine artgerechte Haltung, keine Auswilderung – Zucht und Haltung von Eisbären in Zoos werden auch kritisch gesehen. "Ich kann nur immer wieder sagen: Die Größe einer Anlage alleine ist nicht entscheidend, man muss sie strukturieren und die Tiere beschäftigen – das ist mehr als Größe", entgegnet Kück. Eine Zeitlang habe es Vorwürfe gegeben, die Zucht von Eisbären würde wegen der Tierhaltung nicht klappen. Nun wo es klappt, gebe es andere Vorwürfe. Kritikern fehle häufig die Erfahrung, um die Bedingungen beurteilen zu können, sagt die Direktorin. Der Zoo wolle die Tiere zeigen und über sie informieren – dabei trage er immer die Verantwortung für das Tierwohl.

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Dieses Thema im Programm: Bremen Eins, Der Nachmittag, 11. April 2022, 14:40 Uhr