Fragen & Antworten
Bürgerschaftswahl im Mai – wohin steuert Bremen?
Es wird ernst: Das Landeswahlamt hat bekannt gegeben, welche Parteien zur Bürgerschaftswahl zugelassen sind. Die Wahl könnte historisch enden. Das ist die Ausgangslage.

Um was geht es?
In Bremen steht eine Richtungsentscheidung an. Seit 2007 regiert hier ein rot-grünes Bündnis. Durch hohe Verluste insbesondere der SPD seit 2011 ist dieses Bündnis unter Druck geraten. Die SPD muss am 26. Mai um ihren Status als stärkste politische Kraft kämpfen. Seit 1946 ist sie bei Wahlen zur Bremischen Bürgerschaft immer als Gewinner hervorgegangen. 2015 fuhren die Sozialdemokraten allerdings ihr schlechtestes Ergebnis der Nachkriegsgeschichte ein.
Wie sind die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen?
Bremen profitiert von einer nach wie vor ordentlich laufenden Konjunktur. Beim Brutto-Inlandsprodukt als Indikator für wirtschaftliche Leistungskraft konnte Bremen in den vergangenen Jahren überdurchschnittliche Wachstumsraten verzeichnen. Die Verschuldung konnte die rot-grüne Regierung nicht zuletzt dank historisch niedriger Zinsen weiter senken, pro Kopf schlägt allerdings immer noch ein Wert von rund 30.000 Euro zu Buche. Der Spitzenwert im Vergleich der Bundesländer.
Im Haushalt ergeben sich durch den neuen Finanzausgleich ab 2020 neue Spielräume. Rund 400 Millionen Euro wird Bremen daraus erhalten.
Die Arbeitslosigkeit ist gegenüber dem letzten Wahljahr 2015 ebenfalls weiter gesunken, allerdings verzeichnet Bremen immer noch den höchsten Wert aller Bundesländer. Größtes Problem: Der Anteil der Langzeitarbeitslosen. Ebenso trauriger Spitzenwert: In Bremen ist das Risiko in Armut abzurutschen im Bundesländervergleich am höchsten.
Was sind die prägenden Themen zur Wahl?
Der bremische Dauerbrenner Bildung fehlt bei keiner Partei. Dabei gibt es einen großen Konsens, die Schulen besser auszustatten. Die Meinungen gehen auseinander, wenn es um Aspekte wie zum Beispiel die Inklusion oder Noten in der Grundschule geht.
Wohnungsnot und stark steigende Immobilienpreise gehören ebenfalls zu den Top-Themen, dazu die Verkehrspolitik und die innere Sicherheit. Deutlich weniger präsent als 2015 ist bislang das Flüchtlings- und Integrationsthema.
Wie ist die Ausgangslage der Parteien in der Bürgerschaft?
1 SPD
Für die SPD wird entscheidend sein, ob sie ihre Klientel mobilisieren kann. Denn 2015 blieben viele Wähler zu Hause, die traditionell SPD wählten. Keine andere Partei verlor so viele Wähler an die große Gruppe der Nichtwähler wie die SPD. Auffällig viele ehemalige SPD-Wähler entschieden sich 2015 außerdem für die CDU. Hoffnung macht der Partei der programmatische Schwenk der Bundes-SPD: weg von der Agenda-Politik des Gerhard Schröder, weg mit Hartz IV, hin zu klassischer, umverteilender Sozialpolitik.
2 CDU
Gelingt es, den Spitzenkandidaten bekannt zu machen und wie gut kommt er an bei den Wählern? Das sind die wichtigsten Fragen für die CDU. Der IT-Unternehmer Carsten Meyer-Heder pflegt sein Profil als Seiteneinsteiger, der für Innovation, Aufbruch und Veränderung steht. Das versucht die Partei auf ihre Programmatik zu übertragen: kreative Veränderung, um Bremen eine Zukunft zu geben. Frisch und pfiffig will die CDU daherkommen und sich als offene, urbane Großstadtpartei profilieren. Dabei muss es den Parteistrategen allerdings gelingen, auch die klassische konservative Klientel zu bedienen.
3 Grüne
Momentan scheint es so, als könnten sich die Grünen nur selbst schlagen. Welche Regierungskonstellation auch immer in Bremen zustande kommt, an den Grünen führt (fast) kein Weg vorbei. Gute Aussichten sind das, um möglichst viele grüne Inhalte in Koalitionsverträgen unterzubringen. Allerdings musste sich die Partei auch Kritik gefallen lassen, sie habe durch ihre langjährige Regierungsbeteiligung in Bremen Profil und Biss verloren. Spitzenkandidatin Maike Schäfer hat immerhin versprochen, dass die Parteibasis wieder mehr Einfluss auf die grüne Politik bekommen soll.
4 Linke
Nach einem bremischen Rekordergebnis von 9,5 Prozent bei der letzten Bürgerschaftswahl kann die Linke nach einer Vorwahl-Umfrage des Weser-Kurier von einem weiteren Aufwärtstrend ausgehen. Im Parlament hat die Linke eine rege und durchaus beachtete Oppositionspolitik betrieben. Mit Kristina Vogt auf Listenplatz eins und Klaus-Rainer Rupp auf Platz zwei stehen zwei "pragmatische Linke" auf den Top-Plätzen. Sie schaffen eine Öffnung der Partei hin zu einer breiteren Wählerschaft. Ob sich die Linke allerdings im Fall der Fälle an einer Regierung beteiligen sollte, ist innerparteilich umstritten.
5 FDP
Für die Liberalen wird es eine gefährliche Wahl. Sie müssen alles tun, um im Kampf der Großen nicht unter die Räder zu kommen – und zu den Großen zählen in Bremen mittlerweile auch die Grünen. Lencke Steiner ist ein Zugpferd für die Liberalen, als junges, quirliges Gesicht der Partei. 2015 gaben überdurchschnittlich viele Wähler an, die FDP wegen ihr gewählt zu haben. Zusammen mit Landeschef Hauke Hilz, der für Programmatik und Inhalt steht, ist das eine stimmige Kombination. Die Partei stellt sich als kantige bürgerliche Alternative zu SPD, Linken und Grünen auf.
6 AfD
Für die AfD wird entscheidend sein, ob es ihr gelingt, die innerparteilichen Streitigkeiten zu überwinden. Zahlreiche Parteiausschlussverfahren laufen noch. Die personelle Basis ist dünn. In der Bremischen Bürgerschaft sind der AfD in der laufenden Legislaturperiode drei von vier Abgeordneten abhandengekommen. In den Stadtteilen verlor die Partei acht von ehemals elf Beiratsmitgliedern. Eine fundierte Oppositionspolitik ist so kaum möglich. Die AfD kann momentan allein auf den Faktor "Protest" setzen.
7 Bürger in Wut (BIW)
In Anlehnung an den legendären Satz aus "Dinner for one" heißt es bei BIW: "The same procedure as every Bürgerschaftswahl". Innere Sicherheit ist das Kernthema der Wählervereinigung. Mehr Polizei, mehr Videoüberwachung, konsequente Abschiebung ausländischer Krimineller. Mit diesem Profil kämpft BIW insbesondere gegen die AfD um Wählerstimmen. Weil es in Bremerhaven keine Fünf-Prozent-Hürde gibt, kann der dortige Spitzenkandidat Jan Timke wieder mit einem Mandat rechnen. Ob das in Bremen dem frisch zur BIW gestoßenen Hinrich Lührssen gelingen kann, ist sehr fraglich.
Von 80 auf 50 Prozent – was ist die Wahlbeteiligung wert?
Seit Anfang der 80er-Jahre ist die Wahlbeteiligung im Land Bremen im Trend rückläufig. 1983 lag der Wert noch bei fast 80 Prozent. 2015 schlug im Land ein Minusrekord von rund 50 Prozent zu Buche. Noch einmal deutlich darunter rangiert Bremerhaven: dort lag der Wert 2015 bei nur noch rund 40 Prozent. Doch es gibt Hoffnung, dass der Trend diesmal durchbrochen werden könnte. Zum einen ist der Ausgang der Wahl so offen wie selten zuvor. Das dürfte Wähler motivieren, ihre Stimme abzugeben, weil ihr Einfluss relativ groß ist ("Jede Stimme zählt"). Zum anderen stehen gleich vier Stimmabgaben an: Neben der Landtagswahl auch die Kommunalwahl, ein Volksentscheid zur Bebauung der Galopprennbahn und die Europawahl.
Dieses Thema im Programm: Bremen Eins, 8. März 2019, 9:45 Uhr