Interview
Plastik statt Bronze: Mysteriöser Bremer Künstler verrät neue Aktion
Die Bronze-Skulptur in den Wallanlagen war sein erster Streich. buten un binnen hat der Künstler nun erklärt, wo in Bremen jetzt Teile seines neuen Projekts zu finden sind.
Auf einmal war sie einfach da: Die Bronze-Skulptur am Herdentor. Ein Mann, in gebückter Haltung, der einen Einkaufswagen schiebt. Titel der Arbeit: "Emptiness". Im Mai hatte der geheimnisvolle Bremer Künstler, dessen Identität immer noch unbekannt ist, die Statue aufgestellt. Mitten am hellichten Tag, völlig unbemerkt. Die Guerilla-Kunstaktion sorgte deutschlandweit für großes Aufsehen. In den Medien wurde schnell vom "Bremer Banksy" gesprochen – eine Anspielung auf den berühmten Street-Art-Künstler Banksy.
Im September folgte dann die zweite Aktion: Der Künstler stellte eine weitere Bronze-Figur auf. Diesmal nicht in Bremen, sondern in der Hamburger Innenstadt. Sie stellt einen Graffiti-Sprayer dar, mit Kapuzenpullover und Spraydose in der Hand. Ob die Skulptur dort bleiben wird, ist noch unklar. Die Hamburger Behörden beraten noch. In Bremen steht dagegen fest, dass der Bronze-Mann am Herdentor bleiben soll. Er wurde mittlerweile an der entsprechenden Stelle dauerhaft gesichtert. Bremens Bürgermeister Andreas Bovenschulte (SPD) und die Kulturbehörde hatten das neue Kunstwerk von Beginn an positiv aufgenommen.
Masken im Einkaufszentrum und Schnitzeljagd
Gegenüber buten un binnen hat der Künstler jetzt von seinen zwei neuen Aktionen berichtet: Im Einkaufscenter in Bremen-Walle sowie im Roland-Center in Huchting hat er in verschiedenen Geschäften Masken versteckt – diesmal nicht aus Bronze, sondern aus Plastik. Bei der anderen Aktion handelt es sich um eine Art Schnitzeljagd: In den sozialen Netzwerken veröffentlicht der unbekannte Künstler Barcodes, die Koordinaten enthalten und zu bestimmten Orten in Bremen führen. "Bei der Schnitzeljagd geht es um Bronze", verrät der Künstler gegenüber buten un binnen.
Seine Identität hält er allerdings weiterhin geheim. Auf die Frage, ob er eine Einzelperson oder ein Kollektiv sei, antwortet er: "Beides." Öffentlich tritt er unter dem Pseudonym "Mohamed Smith" in Erscheinung. Auf seinem gleichnamigen Account im sozialen Netzwerk "Instagram" postet er regelmäßig Fotos und Videos zu seinen Kunstaktionen, gibt kurze Einblicke in den Enstehungsprozess seiner Skulpturen. Auf Youtube hat der Künstler vor wenigen Tagen ein längeres Video veröffentlicht, das zeigt, wie er den Bronze-Mann am Herdentor aufgestellt hat.
buten un binnen steht seit Monaten mit dem anonymen Künstler in Kontakt – die Kommunikation findet über eine verschlüsselte Mailadresse statt, mittlerweile auch über Instagram. Ein persönliches oder telefonisches Gespräch lehnt der Künstler ab. Allerdings hat er sich bereiterklärt, auf mehrere Fragen der Redaktion schriftlich zu antworten.
Herr Smith, bei einer Ihrer neuesten Aktionen haben Sie Masken angefertigt und diese in Bremer Einkaufscentern drapiert. Welche Idee steckt dahinter?
Die Idee dahinter war es, ein Produkt herzustellen, welches billig anmutet, aber aufwendig in Handarbeit hergestellt wurde. Auf dem YouTube-Kanal "i_am_mohamed_smith_" gibt es ein Making-of-Video, welches gut den Arbeitsaufwand dokumentiert.
Die Masken zeigen das sogenannte "Allerweltsgesicht", das, was erscheint, wenn man bei Google nach "Most common face" sucht. Ihr Pseudonym "Mohamed Smith" setzt sich aus dem häufigsten Vor- und Nachnamen der Welt zusammen. Eine generelle Kritik am Individualismus? Der Künstler bleibt hinter seinen Werken anonym?
Was die Interpretation betrifft, möchte ich den Betrachter selbst entscheiden lassen.
Ihre Masken haben Sie im Roland-Center und im Walle-Center versteckt. Warum gerade dort?
Dort ist die Dichte an "1-Euro-Shops" sehr hoch.
Bei Ihrer zweiten Aktion handelt es sich um eine Art Schnitzeljagd. Über einen Barcode erhält man Koordinaten, die zu einem bestimmten Ort führen. Worum geht es Ihnen bei dieser Aktion?
Auch hier möchte ich den Spielraum des Betrachters nicht beeinflussen, indem ich zu viel verrate.
Auch bei den Masken, die Sie versteckt haben, spielt der Barcode eine Rolle. Bei Ihren Skulpturen gehören Barcodes ebenfalls dazu. Warum immer wieder dieses Element?
Bei den Masken habe ich einen völlig anderen Barcode auf die Etiketten gedruckt. Eigentlich wollte ich die Masken "unverkäuflich" machen beziehungsweise zeigen, dass aufwendig Produziertes einen Wert hat. Die Läden scheinen aber eine "1€-Taste" in ihrer Kasse zu haben: Ich konnte die Maske jedes Mal kaufen. Auf den Quittungen stand dann so etwas wie "diverse Artikel" oder "Aktion Jungen". Der Barcode ist allgegenwärtig und in ihm lassen sich wunderbar Botschaften verstecken, die nur durch Interaktion sichtbar werden. Der Barcode ist eine Metapher für das Aktiv werden, Interagieren, sich Auseinandersetzen.
Ihre Skulpturen in Bremen und Hamburg haben für Aufsehen gesorgt. In den Medien wird von Ihnen schon als "Bremsky"“ gesprochen – in Anspielung an den berühmten Street-Art-Künstler Banksy. Was sagen Sie zu diesem Vergleich?
Ich halte nicht viel von dem Vergleich. Es geht ja lediglich darum, ein Phänomen mit etwas Geläufigem zu beschreiben. Es gibt wesentlich mehr Personen oder Kollektive, mit denen der Vergleich besser passen würde als mit Banksy. Ich habe Banksy früher bewundert, leider ist er/sie/es zu einem Produkt seiner/ihrer selbst geworden, was ich als nicht erstrebenswert erachte.
Warum haben Sie sich dazu entschlossen, Ihre Identität geheim zu halten?
Die beiden Bronzen waren nicht meine letzten Aktionen. Wer weiß, wie die nächsten aufgenommen werden. Außerdem ist es ein gutes Mittel, um mehr Aufmerksamkeit zu erlangen.
Warum haben Sie sich für das Material Bronze entschieden?
Das klingt so endgültig. Ich arbeite mit vielen Materialien: Bronze, Social Media, Öffentlichkeit, Anonymität, Codes. Mein aktuelles Projekt ist hauptsächlich aus Plastik.
Welche Bedeutung hat die Wahl der Orte, an denen Sie Ihre Skulpturen in Bremen und Hamburg aufgestellt haben?
Die Wahl der Orte hat mehrere Gesichtspunkte: Zentral muss der Ort sein, die Skulpturen sollten auf öffentlichem Grund stehen und der Untergrund muss eine geschlossene Asphaltdecke aufweisen.
Worum geht es Ihnen bei den Skulpturen? Welche Rolle spielt dabei die Diskussion um Kunst im öffentlichen Raum?
Ich möchte einem breiterem Publikum die Relevanz von Kunst näher bringen. Der öffentliche Raum ist dafür essentiell.
Dieses Thema im Programm: buten un binnen, 9. November 2020, 19:30 Uhr