Wie erlebt dieses ukrainisch-russische Ehepaar aus Bremen den Krieg?

Sie ist Ukrainerin, er gebürtiger Russe – gemeinsam leben sie mit ihren Kindern in Bremen. Putins Krieg hat ihr Leben verändert.

Tiefe Traurigkeit zieht sich durch das Klavierspiel der beiden Bremer Musiklehrer Alexandra und Evgeny Cherepanova. Er ist in Russland geboren, sie in der Ukraine. Der Krieg an der russisch-ukrainischen Grenze überwältigt sie. Mit angeschlagener Stimme erzählen sie bedrückt ihre Geschichte.

Eigentlich sprechen sie mit ihren zwei Kindern zu Hause russisch, aber das ist vorbei. "Wir haben russisch gesprochen, wir wollten, dass unsere Kinder die Sprache sprechen können", erzählt Alexandra. Auch ukrainisch können die Kinder ein bisschen. Und das will zumindest die Tochter jetzt sprechen, einfach um die Ukraine zu unterstützen. Die gesamte Situation tut weh, sagt Evgeny. Die kulturelle Verbundenheit, auch durch die russische Musik, ist gerade für den russischen Familienvater mit deutschem Pass nicht einfach.

"Wir unterscheiden nicht nach Nationalitäten"

Gerade jetzt sind seine russischen Wurzeln ein Thema. Doch angefeindet wird Evgeny dafür nicht. "Die Menschen sind vernünftig genug, nicht als erstes auf die Nationalität zu schauen", beschreibt er. Das sieht auch seine Frau so. Beide haben als Musiklehrer auch Klavierschüler mit anderen Nationalitäten.

Ein Paar sitzt am Klavier und spielt Musik.
Gemeinsam am Klavier: Alexandra und Evgeny Cherepanova Bild: Radio Bremen

Bei der Ukrainerin Alexandra haben sogar russische Schüler angerufen und sich für Putins Verhalten entschuldigt und ihre Hilfe angeboten. Das seien dann die Russen, die in Bremen leben und den Konflikt von hier beobachten, erzählt sie. "Aber die, die in Russland leben, die sind taub" – zu stark sei die pro-russische Propaganda von Putin.

Ihre Eltern wollen bleiben

Alexandra Cherepanova telefoniert häufig mit ihren Eltern. Sie leben in Kiew, wollen die Stadt aber nicht verlassen, sondern kämpfen und sich verteidigen. Durch das Telefon hört sie die Sirenen in der Stadt, weiß von ihren Eltern, dass auf den Straßen geschossen wird. Wenn sie nachts aufwacht und nicht weiß, ob ihre Eltern die Nacht überleben, ruft sie an – auch um 5 Uhr morgens.

Eine blonde Frau blickt traurig in die Kamera.
Ihre Eltern wollen Kiew nicht verlassen, das macht der Ukrainerin Angst. Bild: Radio Bremen

Meistens verbringen ihre Eltern die Nächte im feuchtkalten Keller unter dem 16-stöckigen Hochhaus, in dem sie wohnen und suchen dort Schutz, beschreibt die Ukrainerin. Doch nicht jeder kann dorthin: Es ist zu voll, viele ältere Menschen können aus gesundheitlichen Gründen nicht in den Keller. "Und die bleiben einfach im Haus. Die bleiben einfach in der Wohnung. Die warten einfach, ob sie die Nacht überleben", sagt Alexandra.

Ihre Schwester ist geflohen

"Und wenn das Hochhaus einstürzt, werden die Menschen dort einfach begraben", berichtet die Ukrainerin. Dennoch wollen ihre Eltern dort bleiben. Diese Entscheidung muss Alexandra schweren Herzens akzeptieren. Den Tränen nahe berichtet sie, was ihre Mutter ihr gesagt hat: "Hier sind so viele Kinder, so viele Menschen. Wir verlassen unsere Stadt nicht. Wir bleiben bis zum Ende."

Das zu akzeptieren fällt Alexandra sichtlich schwer. Ihre Schwester hat da eine andere Entscheidung getroffen und ist mit ihrem Kind geflohen. Ihre Schwester hat es nach Polen geschafft, in Bremen wartet das russisch-ukrainische Paar auf sie.

Seine Eltern ignorieren den Krieg

Das, was in der Ukraine und in Kiew passiert, wollen viele Menschen in Russland nicht glauben, erzählt Evgeny: Es ist dort einfacher, das zu glauben, was dort gesagt wird, als das zu sehen, was hier berichtet wird. Wenn Evgeny seinen Eltern im Ural-Gebirge Informationen schickt, dann ignorieren sie das, glaubt er. Seine Eltern glauben vermutlich der Putin-Propaganda. Für ihn persönlich ist das mehr als schwer.

Eine Mann mit Brille blickt traurig in die Kamera.
Evgeny setzt sich gerade viel mit seiner russischen Herkunft auseinander. Bild: Radio Bremen

Manchmal stellt er sich vor, wie es wäre, wenn seine Frau und die Kinder in der Ukraine wären und dort sterben würden. Bei dem Gedanken ist ein Teil seiner Welt, seiner russischen Heimat, kaputtgegangen. "Ich weiß noch nicht, wie ich damit umgehen kann", beschreibt er bedrückt.

Erstmal spielen sie keine russischen Komponisten mehr, das hilft dem Paar. Ihre Gefühle drücken sie mit langsamen traurigen Melodien aus. Dabei sind die Gedanken der beiden Klavierlehrer bei ihren Eltern, ihrer Familie und ihrer jeweiligen alten Heimat.

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Dieses Thema im Programm: buten un binnen, 2. März 2022, 19:30 Uhr