Interview

Arbeiten trotz Corona? Bremer Virologe warnt vor Ende der Isolation

Kassenärzte-Chef und FDP-Politiker sprechen sich für den Wegfall der Corona-Isolationspflicht aus. Der Virologe Andreas Dotzauer erklärt, warum er das für keine gute Idee hält.

In der Ampel-Koalition ist eine Debatte um die Aufhebung der Corona-Isolationspflicht entbrannt. Im Bremer Gesundheitsressort hält man davon angesichts der Corona-Sommerwelle nur wenig. "Ein Ende der Isolationspflicht für Infizierte sehen wir als falsch an", sagte Sprecher Lukas Fuhrmann auf Anfrage von buten un binnen.

Sollte dazu noch die schon verkürzte Isolation vollständig abgeschafft werden, würden die Fallzahlen weiter und deutlich schneller steigen. Höhere Fallzahlen bedeuten aber auch bei Omikron mehr schwere Fälle und mehr Todesfälle.

Gesundheitsressort-Sprecher Lukas Fuhrmann auf Anfrage von buten un binnen
Ein Mann mit grauen Haaren und Brille schaut in die Kamera.
Der Bremer Virologe Andreas Dotzauer ist gegen einen Wegfall der Corona-Isolation. Bild: Radio Bremen

Hintergrund der Forderung ist ein Vorstoß von Kassenärzte-Chef Andreas Gassen, der für ein Ende der Isolationspflicht plädiert hatte. Während Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) und die Grünen einen Wegfall der Regelung klar ablehnen, sprechen sich immer mehr FDP-Politker dafür aus.

Im Interview mit buten un binnen erklärt der Bremer Virologe Andreas Dotzauer, wie er Gassens Vorschlag bewertet, warum Corona keine Grippe ist und wieso auch bei milden Verläufen Ruhe das oberste Gebot ist.

Herr Dotzauer, wir müssen zurück zur Normalität, sagt Kassenärzte-Chef Gassen. Soll heißen: Wer krank ist, bleibt zu Hause, wer gesund ist, geht zur Arbeit. Macht er es sich zu leicht?

Ja, und das ist schon unverständlich, denn für diese Forderung gibt es für mich als Virologen keinerlei wissenschaftliche Begründung. Im Gegenteil, die Isolation von Infizierten und somit von ansteckenden Personen ist aus mehreren Gründen geboten.

Was für Gründe sind das?

Ein Punkt ist der gesellschaftliche Aspekt. Man muss einfach Rücksicht gegenüber seinen Mitmenschen aufbringen. Es geht dabei auch um den Respekt gegenüber der Gesundheit von gefährdeten Personen. Deren Ansteckung würde man dadurch in Kauf nehmen.

Hinzu kommt: Fällt die Isolation weg, überlässt man dem Virus die Spielwiese. Wir haben inzwischen allein von der Omikron-Variante über 130 Sublinien. Dieses Virus wird einfach weiter variieren. Es werden sich neue Varianten mit unvorhergesehenen Eigenschaften bilden.

Ein oft gehörtes Argument ist: Viele Krankheitsverläufe sind derart mild, dass man weitere Infektionen verantworten könne. Wie sehen Sie das?

Jeder Infizierte kämpft mit dem Virus, um es zu eliminieren und unschädlich zu machen. Und um das für eine vollständige erfolgreiche Genesung durchzuführen, ist eine gewisse körperliche, aber auch geistige Ruhe notwendig. Das heißt also, dass man als Infizierter nicht einfach weiterarbeiten, sondern eine gewisse Zeit der Ruhe gewährleisten sollte, um die Genesung zu gewährleisten.

Demnach lässt es sich aus medizinischer Sicht also auch nicht vertreten, das Virus als Grippe zu betrachten?

Nein, ein solcher Standpunkt wäre vollkommen unverständlich. Corona ist keine Grippe. Wir wissen inzwischen aus den letzten Monaten, dass wir bei Corona viel höhere Todeszahlen, höhere Infektionszahlen und mehr systemische Langzeiterkrankungen haben.

Wenn man mit Personen redet, die infiziert waren, sieht man: das Asthma verstärkt sich, Diabetes gerät außer Kontrolle, der Bluthochdruck kann sich verschlimmern, Erschöpfungszustände treten auf. Man sollte sich als Infizierter also auf jeden Fall nicht unter die Bevölkerung mischen, sondern sich zu Hause aufhalten.

(Die Fragen stellte Katrin Krämer. Aufgezeichnet von Helge Hommers.)

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Dieses Thema im Programm: Bremen Zwei, Der Nachmittag, 25. Juli 2022, 17:10 Uhr