Kommentar
Straßenbahn-Pause in der Bremer City: "Ihr habt es komplett vergeigt!"
Straßenbahn-Pause in der Bremer City: "Ihr habt es komplett vergeigt!"
Seit Jahren wird über die Straßenbahnlinien in der Obernstraße gestritten. Jetzt fährt dort nichts – trotzdem bleibt die einmalige Chance ungenutzt, findet unser Redakteur.
Seit Jahren fordern diverse Akteure der Politik und Wirtschaft, dass die Straßenbahn nicht mehr durch die Obernstraße fahren soll. "Das bringt Lebensqualität", sagt die Handelskammer, "dadurch wird die Innenstadt wieder attraktiv", heißt es von den Tourismus-Kennern und "das gibt neue Möglichkeiten für die Gastronomie" fordern mehrere Parteien. Seit Jahren geht das so.
Nun fährt seit Wochen wegen der Baustelle an der Brill-Kreuzung die Straßenbahn nicht durch die ehemals beliebte Einkaufsstraße. Und was machen die Leute von City-Initiative, Wirtschafsförderung, Politik und Co? Richtig. Erstmal ist drei Wochen gar nichts passiert. Denn die BSAG brauchte die Gleise noch für zwei bis drei Werkstattfahrten. Das hätten alle Verantwortlichen auch vorab klären können oder zumindest mit den ersten Dingen schon mal anfangen können. Haben sie aber nicht.
Vergangenes Wochenende ging es dann endlich los: Die erste Aktion, die sich die Spezialisten der Bremer Innenstadt ausgedacht haben ist – Trommelwirbel – Tusch: Sie stellen da wo keine Straßenbahn mehr fährt, alte Autos hin. Toll!
Alte Autos statt Straßenbahnen
Ein "Oldtimer-Day" am Samstag war also das, was die Massen begeistert. Für einen Tag. Im Ernst? Zwischen den aufgebahrten alten Autos fuhren noch ein paar Menschen auf dem Fahrrad durch die Fußgängerzone. Vorbei an den vielen leer stehenden Geschäften.
Am Sonntag war der Spuk dann auch wieder vorbei. Nun stehen dort also die obligatorischen Blumenkübel in der Obernstraße. Denn immer, wenn Bremen was zum Thema "Attraktivität der Innenstadt" macht, kommen als erstes Blumenkübel auf die Straße. Wow! Das ist wirklich mal so richtig innovativ.
Und schaut man sich das Programm an, was denn da noch kommt in den nächsten Tagen, ist es leider auch wieder das übliche, blutleere Zeugs, mit dem wirklich kein Blumentopf zu gewinnen ist. "Seifenblasenkünstler" und "Zauberer" werden Freitag und Samstag je fünf Stunden durch die Gegend laufen. Zwei Mal mittwochs Nachmittags gibt es sogenannte "Pop-up-Konzerte" und an drei Tagen werden tagsüber Kinofilme gezeigt. Tagsüber! Im Hochsommer! An drei Tagen!
Ich frage mich, was die Leute, die sich so etwas Mut- und Lustloses ausdenken, beruflich machen.
Jugendliche in die Stadt locken
Wer mosert, muss auch selbst Vorschläge machen. Bitte sehr:
Warum gibt es nicht für die gesamte Zeit einen richtig tollen Beach-Club auf dem Hanseatenhof? Mit einer Bar, einem Volleyballfeld und daneben noch ein Basketball-Platz. Das Zubehör dafür kann man mieten. Dann würden sich vielleicht auch mal wieder junge Menschen in die tote Innenstadt bewegen. Denn nebenbei sind auch noch Sommerferien.
Und gerade in Bremen leben viele, die nicht in den Urlaub fahren. Sie sitzen zu Hause und würden sich über ein wenig Abwechslung in der Innenstadt ein Loch in den Bauch freuen.
Wie wäre es mit einem Streetfood-Markt irgendwo vor dem Karstadt-Haus? Die Bremer Schausteller klagen doch seit Beginn der Pandemie über Umsatzeinbußen. Warum hat niemand im Vorfeld die Einzelhändler animiert, kleine Verkaufsstände vor ihren Geschäften aufzubauen?
Potenzial nicht ausgeschöpft
Und warum findet abends so gar nichts dort statt? Keine Bühne, auf der vielleicht immer um 20 Uhr Konzerte stattfinden. Jeden Abend – nicht nur an zwei Nachmittagen mittwochs um 15 Uhr. Bands und junge Musikkünstler gibt es genug in dieser Stadt.
Den Menschen, die seit Jahren fordern, dass die Straßenbahn aus der Obernstraße verschwinden soll, muss ich leider sagen: Ihr habt es komplett vergeigt. Ich freue mich auf den 28. August, wenn endlich die Linien zwei und drei wieder Menschen in die Stadt bringen. Denn ihr könnt das einfach nicht.
Wie die Bremer auf die Straßenbahn-Pause in der City reagieren
Dieses Thema im Programm: Bremen Zwei, 9. August 2022, 8:20 Uhr