Bremens fahrende Bücherei: Mit dem 16-Tonner durch die Stadt
On Tour in Bremen: Dieser Bus ist eine Bibliothek auf Rädern
Keine Bibliothek um die Ecke? Seit den 70er Jahren gibt es den Bücherbus in Bremen. Einst forderte eine Initiative eine Bibliothek für ihren Stadtteil, dann kam der erste Bus.
Matthias Weyh ist Bibliothekar und Busfahrer zugleich. Seit über 20 Jahren fährt der 52-Jährige mit einem 16 Tonnen schweren Bus durch Bremen. "Das Witzige ist, dass ich gar nicht gern Auto fahre und auch kein Auto besitze. Mit dem PKW bin ich in der Stadt aufgeschmissen, mit dem Bücherbus ist das was anderes", sagt Matthias Weyh. Den Bus bewegt er inzwischen routiniert durch die Stadt. Mit ihm bringt das Bücherbus-Team Lesestoff zu den Menschen, die zwar im Bremer Stadtgebiet wohnen, aber kilometerweit von einer Bücherei entfernt.

Schon an der Planung des Bücherbusses war Weyh beteiligt. 2011 wurde das Fahrzeug extra für Bremen von einer Firma in Finnland aufwändig ausgestattet. Neben Bücherregalen sind zwei kleine Tresen für Ausleihe und Rückgabe eingebaut sowie ein winziger Toilettenraum für das Bibliotheks-Team.
Der Bus als Schaufenster der Bremer Stadtbibliothek
Der Bus hat einen eigenen Bestand von über 20.000 Medien. Sie lagern auf dem Gelände der Grundschule Fischerhuder Straße in Gröpelingen. Direkt neben dem Bücherlager befindet sich die Garage. Vor jeder Fahrt bestücken die Bibliotheksmitarbeiter den Bus dort mit den Büchern, die auf der jeweiligen Route gebraucht werden. Die Vorlieben sind je nach Stadtteil verschieden, und das Bücherbus-Team weiß schon ungefähr, was wo gebraucht wird. Rund 4.000 Medien passen in den Bus, es wird also ständig ausgetauscht.

"Habenhausen war früher unsere Mord- und Totschlag-Haltestelle, da wurden vor allem Krimis und Thriller ausgeliehen. Seit ein paar Jahren sind viele junge Familien dazugekommen, nun müssen wir vor allem Comics für Habenhausen mitnehmen", erzählt Matthias Weyh schmunzelnd.
Der Bücherbus gilt als das "Schaufenster" der Bremer Stadtbibliothek, daher hat er immer besonders aktuelle Medien auf Lager, selten sind sie älter als fünf Jahre.
Jeder bekommt 5 Minuten im Bus
Neben Büchern verleiht der Bus auch Zeitschriften, DVDs, CDs und andere Hörmedien für Kinder. Nur Gesellschaftsspiele gibt es nicht, sie würden zu viel Platz wegnehmen.
Was für die Nutzerinnen und Nutzer besonders praktisch ist: Man kann auch Medien aus allen anderen Zweigstellen der Stadtbibliothek im Bücherbus abgeben. Oder gezielt Bücher bestellen, etwa aus der Zentralbibliothek, und der Bus bringt sie dann mit zur Haltestelle.

Der 11-jährige Byar Osman aus Kattenesch kommt regelmäßig zum Bücherbus. Alle zwei Wochen macht der in Kattenesch Halt. "Die Zentralbibliothek ist zwar toll, aber so weit weg. Da würden wir nicht so oft hinfahren," sagt Byar. Acht Kilometer sind es von seinem Zuhause bis zur Bibliothek in der Innenstadt. Zusammen mit seiner Schwester stöbert er durch die Regale – Sachbücher, Comics, Kinderromane... viel Zeit ist nicht, nur fünf Minuten haben sie, um sich zu entscheiden. Das liegt am Corona-Hygienekonzept.
Noch kein Normalbetrieb
Seit der Pandemie hat sich das Arbeiten im Bus sehr verändert. "Früher gehörte es dazu, dass sich die Kinder im Bus drängten und jeder in Ruhe stöbern konnte", berichtet der Bücherbus-Chef. Heute gibt es eine Ampel an der Tür, es werden nur drei Besucherinnen und Besucher gleichzeitig hineingelassen. Und das auch nur für fünf Minuten. "Das hat zur Folge, dass die Erwachsenen in der kurzen Zeit ihre Kinder beim Auswählen unterstützen und für sich selbst keine Bücher ausleihen. Das ist natürlich schade."

Ob und wann an dem Corona-Konzept etwas geändert werden kann, ist im Moment noch nicht absehbar. Auch werden zur Zeit nur 16 Haltestellen angefahren. Normalerweise würde der Bus noch an zehn weiteren Stationen an Schulen Halt machen, doch das ist logistisch nicht möglich, solange das Hygienekonzept noch gilt.
Doch Matthias Weyh ist schon froh, dass die Zeit der ganz strengen Auflagen ersteinmal vorbei ist. Er erinnert sich gut an den Lockdown im vergangenen Jahr, als gar keine Besucherinnen und Besucher in den Bus durften. Das Bücherbusteam war dann trotzdem unterwegs und brachte einzeln in Tüten verpackte Bücherbestellungen in die Stadtteile.
Ein abwechslungsreicher Job
Zum Bücherbus-Team gehören insgesamt vier Menschen, die sich mit dem Fahren abwechseln. Nina Kossens ist eine von ihnen. Die 27-Jährige ist seit sieben Jahren dabei. "Den LKW-Führerschein für einen Bibliotheksjob zu machen, war schon sehr ungewöhnlich, denn eigentlich interessiere ich mich ja für Bücher", sagt sie.
Doch sie hatte Lust auf etwas Abenteuer und durch die Touren mit dem Bus hat sie inzwischen viele persönliche Kontakte zu den Kunden in den einzelnen Stadtteilen. "Wenn ich mal für ein paar Stunden Dienst in einer festen Zweigstelle machen muss, werde ich ganz unruhig, weil ich auf den nächsten Ortswechsel warte," erzählt Nina Kossens.

Sie sagt von sich, dass sie inzwischen eine innige Verbindung zu dem riesigen Fahrzeug aufgebaut habe. "Vom Gefühl her ist es mein Bus", grinst sie.
Und ihr Chef möchte noch einen Appell an die Autofahrer loswerden: Zugeparkte Bücherbus-Haltestellen seien für das Team ein echtes Problem. Mit einem 16-Tonner sei man leider im Straßenverkehr nicht besonders flexibel.
Dieses Thema im Programm: buten un binnen, 17. März 2022, 19:30 Uhr