Interview

Böden in Gefahr: Bremer Ökologin fordert Ansage an Wirtschafts-Lobby

Bild: dpa | Chromorange/Michael Bihlmayer

Als Baufläche, als Acker oder als Straße: Unsere Böden sind unsere Lebensgrundlage. Juliane Filser von der Uni Bremen über die Belastung der Böden und was passieren muss.

Frau Filser, wie ist die Lage der Böden in Deutschland, vor allem mit Blick auf Bremen?

Aus landwirtschaftlicher Sicht in vielen Gebieten relativ gut, weil wir nach wie vor viele Hochertragsböden haben. Die Landwirtschaft hat aber auch zu einem beträchtlichen Stickstoff-Überschuss geführt, den wir europaweit beobachten können – besonders hoch hier im Nordwesten, aufgrund der intensiven Viehhaltung. Das ist in Bremen selbst kein Problem, wohl aber das Austrocknen des Feuchtgrünlands dank des Klimawandels und die Flächenversiegelung durch Bebauung und vor allen Dingen Straßen und Parkplätze. Darunter ist der Boden schlicht tot. Durch den Klimawandel haben wir zudem bekanntlich immer häufiger mit den Folgen von Trockenheit und Starkregen zu kämpfen.

Der Klimawandel hat auch Auswirkungen auf unsere Böden. Wie haben sie sich in den letzten Jahren verändert?

Vieles wissen wir schlicht nicht, weil es einfach nicht oder nur sehr selten erfasst wird. Neben Stickstoff reichern sich immer mehr Fremdstoffe im Boden an: Mikroplastik, Pflanzenschutzmittel und Pharmazeutika. Pharmazeutika sind ein "Geschenk" der intensiven Tierhaltung, das mit hoher Wahrscheinlichkeit in unmittelbarem Zusammenhang mit multiresistenten Keimen steht. Dieser Giftcocktail beeinträchtigt das Bodenleben und damit viele der essenziellen Leistungen, die es für uns Menschen bringt, vom Abbau sämtlicher toter Biomasse bis zum sauberen Trinkwasser.

Welche Folgen hat das für uns Menschen?

Wenn wir so weitermachen wie bisher, sehe ich ziemlich schwarz. Reduzieren wir die enorme Vielfalt an Mikroorganismen und Tieren im Boden in ähnlichem Maß wie die Insekten, hat das dramatische Folgen. Das Insektensterben geht ohnehin zu einem beträchtlichen Teil auf geschädigtes Bodenleben zurück, da sich ein Großteil der Insekten vor allem im Larvenstadium, im Winter oder während trockenen Phasen im Boden aufhält und ernährt. Rückgang von Insekten bedeutet weniger Nahrung für Eidechsen, Kleinsäuger und Vögel, und wenn die Biodiversität der Mikroorganismen zurückgeht, werden Giftstoffe einschließlich Mikroplastik schlechter abgebaut und Pflanzen weniger gut ernährt. Zudem werden die Böden so anfälliger für Erosion durch Wind oder Wasser.

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Wenn man über Böden spricht muss man auch über Stickstoff sprechen. Es gibt einen Grenzwert beim Stickstoff-Überschuss, gesetzte Ziele werden nicht erreicht. Welche Folgen hat das für die Böden und für uns?

Wie gesagt: Überdüngung führt zu Lachgas-Freisetzung, das einen fast dreihundertfachen Treibhauseffekt von Kohlendioxid hat. Zudem ist das in vielen Düngern enthaltene Nitrat im Boden sehr mobil und landet dann im Trinkwasser, dazu gibt es genügend Werte. Und die flächenhafte Stickstoffüberdüngung kommt wiederum zu einem beträchtlichen Teil von der Gülle aus der Viehhaltung: Hier steigt in großen Mengen Ammoniak in die Atmosphäre und breitet sich dann über Wind und Niederschlag flächig aus. In der Folge verschwinden viele Pflanzenarten, was sich wiederum auf die auf sie spezialisierten Insekten und Bodenorganismen negativ auswirkt.

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EU-weit dürfen in Folge des Ukraine-Krieges Brachflächen bewirtschaftet werden. Deutschland gibt sie nur zur Futternutzung frei. Was halten Sie davon?

Ich habe mich fürchterlich aufgeregt, als ich das gehört habe. Das ist völliger Schwachsinn! Brachflächen, die aus der Nutzung genommen werden, sind fast ausschließlich schlechte, also wenig produktive Böden, die ein ganz schlechtes Bindungsvermögen für Nährstoffe und auch Giftstoffe haben. Landwirte sind ja nicht dumm. Solche Böden wieder zur konventionellen Nutzung freizugeben, bedeutet, dass ein erheblicher Teil der Agrochemikalien im Trinkwasser oder angrenzenden Bächen landen wird, und das bei geringen Erträgen. Das ist ökonomischer und ökologischer Unsinn. Hopfen und Malz ist also noch nicht verloren, aber nur, wenn die Bedeutung der Leistungen von Böden auch bekannt ist. Wir brauchen viel mehr Bodenwissen, von der Kita bis zur Universität. Und letzteres ist in akuter Gefahr: wenn die gerade vorgelegte Novelle des Bremischen Hochschulgesetzes so in Kraft tritt, können wir die Forschung und Lehre zu Böden und Umweltrisiken einstellen.

Wenn wir so weitermachen wie bisher, sehe ich ziemlich schwarz. Reduzieren wir die enorme Vielfalt an Mikroorganismen und Tieren im Boden in ähnlichem Maß wie die Insekten, hat das dramatische Folgen.

Juliane Filser, Uni Bremen

Was wünschen Sie sich von der Politik?

Die Politik muss endlich die Chuzpe haben, klare Ansagen bei der Agrar- und Chemielobby zu machen. Böden müssen in erster Linie standortgerecht genutzt werden: ein Moor muss ein Moor bleiben dürfen, ein Feuchtgrünland eben feucht, an Hängen muss man für Erosionsschutz sorgen. Die Intensivlandwirtschaft muss auf umweltgerechtere Formen umgestellt werden, mit reduziertem Einsatz von Agrochemikalien und Bodenbearbeitung, standortgerechter Sortenwahl, vielgliedrigen Fruchtfolgen, Gründüngung und ohne Sojaimporte. Das belebt den Boden nach längerer Zeit wieder, wie ich aus meiner Zeit in der Agrarökosystemforschung berichten kann.

Was kann jeder selber tun um den Boden gesund zu erhalten?

Weniger konsumieren, vor allen Dingen Fleisch, aber auch andere Konsumgüter, umweltfreundliche Verkehrsmittel nutzen und bewusst einkaufen: möglichst frische, regionale Bioprodukte und Second-Hand-Kleidung.

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Autorin

  • Marie Roters
    Marie Roters Autorin

Dieses Thema im Programm: buten un binnen, 25. Juni 2022, 19:30 Uhr