Online-Banking: "Für einige Erleichterung, für andere Albtraum"

Viele Banken schließen ihre Filialen, die Umgewöhnung zum Online-Banking fällt älteren Kunden schwer. Für Herbert Kubicek ist klar: Die Banken tragen eine Verantwortung.

Herbert Kubicek forscht zum Thema Internetnutzung am Institut für Informationsmanagement in Bremen (ifib) an der Bremer Universität. Einer seiner Schwerpunkte ist dabei die Internetnutzung von älteren Menschen. Dazu hat er auch ein Buch veröffentlicht: "Digitale Teilhabe im Alter". Für ihn gehört die Unterstützung der Senioren in digitalen Angelegenheiten zu den Aufgaben der Pflege dazu.

Herr Kubicek, Sie forschen schon lange zur Internetnutzung von älteren Menschen. Was war bisher die wichtigste Erkenntnis?

In der Studie "Nutzung und Nutzen des Internets im Alter" habe ich 2017 einen Unterschied zwischen niedrigschwelligen und höherschwelligen Anwendungen festgestellt. In Begegnungsstätten und Altenheimen wurden älteren Menschen für drei Monate Tablets ausgeliehen. Am Anfang haben viele gesagt, dass sie sich damit Wege ersparen und mit anderen kommunizieren wollen. Am Ende haben tatsächlich viele kommuniziert über Messenger-Dienste, aber nur wenige haben Online-Banking genutzt. Auf Nachfrage haben die Seniorinnen und Senioren gesagt, dass ihnen das zu kompliziert sei. Sie müssen sich ein Passwort merken, das sie nicht aufschreiben dürfen, sie müssen sich jedes Mal wieder einloggen und wenn was schief geht, kann das finanzielle Folgen haben. Es gibt also psychische und technische Barrieren, die Online-Banking schwieriger machen als eine Nachricht zu verschicken.

Online-Banking ist für einige eine Erleichterung in ihrem Alltag, für andere ein Albtraum.

Prof. Dr. Herbert Kubicek, Forschungsinistitut Informationsmanagement Bremen

Ab welchem Alter würden Sie sagen, wird es schwieriger?

Das kann man so allgemein nicht sagen. Ältere Menschen, das sind 20 Millionen Männer und Frauen zwischen 60 und weit über 90 Jahren mit sehr unterschiedlichen körperlichen, geistigen und finanziellen Möglichkeiten, unterschiedlichem Bildungs- und Gesundheitsstand. Dazu gehört der pensionierte Ingenieur ebenso wie die Hausfrau, die nie etwas mit Computern zu tun hatte. Ein Teil engagiert sich ehrenamtlich und andere müssen gepflegt werden. Online-Banking ist für einige eine Erleichterung in ihrem Alltag, für andere ein Albtraum.

Aber man kann aus den Umfragen eine Tendenz ablesen. Bei den 60- bis 69-Jährigen sind mittlerweile 89 Prozent online. Da hat sich die Lücke über die letzten Jahre geschlossen. Bei den über 70-Jährigen sind erst zwei Drittel und bei den über 80-Jährigen nur ein Drittel online. Online-Banking macht davon jeweils nur etwa die Hälfte.

Sie sprechen von einer Lücke zwischen den Generationen. Glauben Sie, dass sich diese Lücke irgendwann automatisch schließt?

Nicht von alleine. In einer Umfrage zur Internetnutzung unter 13.000 Menschen über 60 Jahre im Land Bremen haben 47 Prozent gesagt, sie hätten ihre Internetkenntnisse mit Hilfe von Verwandten erworben und 22 Prozent mit Hilfe von Bekannten oder Nachbarn. Kinder und Enkel von älteren Menschen könnten noch etwas geduldiger oder energischer sein, um ihren Eltern oder Großeltern die Bedenken zu nehmen und mit ihnen zu üben oder notfalls auch die Überweisungen mit ihnen zusammen zu tätigen. Aber nicht alle haben Verwandte oder Bekannte, denen sie in Geldangelegenheiten vertrauen.

Für sie ist unter Umständen mehr erforderlich als ein Smartphone-Kurs oder eine WhatsApp-Gruppe. Ich spreche da von den unterschiedlichen körperlichen, geistigen und finanziellen Möglichkeiten. Das Gedächtnis und die Motorik werden nicht besser mit dem Alter. Auch die nächste Generation wird im Alter einen Anteil an Menschen mit Demenz haben. In meinem Buch geht es deshalb um die bedarfsgerechte Assistenz. Wenn sie Pflegegrad 3 haben und nicht mehr mobil sind, dann kommt die Pflegekraft und geht mit ihnen auf Kosten der Kasse zum Arzt oder Amt. Sie kann Sie aber nicht bei einer Videosprechstunde mit Ihrem Arzt unterstützen und diese kürzere Zeit abrechnen. Unser Pflegesystem für Menschen, die Unterstützung brauchen, ist noch nicht im digitalen Zeitalter angekommen. Man müsste sich aber dringend auch auf Unterstützung bei Digitalem vorbereiten, damit möglichst alle älteren Menschen digital und dadurch auch sozial teilhaben können.

Welche Barrieren machen für ältere Menschen den Zugang zum Internet schwieriger?

Viele Anwendungen könnten benutzerfreundlicher sein. Aber es liegt auch an der geringen Selbstwirksamkeit, an dem Vertrauen, Schwierigkeiten meistern zu können. Ängste sind weit verbreitet, aber überwiegend nicht begründet. Es gibt einige Risiken, aber denen können nicht nur Junge, sondern auch viele Ältere mit gutem Training begegnen. Aber sie brauchen dazu Ermutigung und die richtige Unterstützung bei ihren Möglichkeiten und Grenzen.

Das Gefühl, Geldangelegenheiten nicht mehr selbst regeln zu können, wenn Bank-Filialen schließen, macht älteren Menschen das Leben vermutlich schwerer.

Ja, das ohnehin schon schwierige Leben wird für sie so noch schwieriger. Das ist nicht nur eine Veränderung in ihrem Alltag, sondern auch eine zusätzliche Belastung. Man muss für das, was vorher bequem zu erledigen war, zusätzliche Kosten und Mühen aufwenden. Die Fahrt mit dem Bus kostet auch Geld. Bank- und Sparkassenfilialen waren in manchen Stadtteilen und im Umland aber nie gleich um die Ecke. Man musste, je nachdem wo man wohnte, schon vorher eine gewisse Strecke zurücklegen und Auto, Bus oder Bahn benutzen. Mit dem Rollator oder Rollstuhl ist das mühsam. Online spart man sich diese Mühe und ist flexibler.

Was können ältere Menschen tun um sich mit Online Banking vertraut zu machen?

An erster Stelle können sicher Angehörige und Bekannte helfen. Wenn es die nicht gibt und jemand auf ambulante Pflege angewiesen ist, dann muss nicht nur jemand kommen, der die Post nachschaut, sondern der auch die notwendigen Überweisungen mit der Person macht. Generell ist Bremen schon auf einem guten Weg. Man kann online zum Beispiel auf der Internetseite der Digitalambulanzen nach Unterstützung suchen. Es gibt in mehreren Stadtteilen immer wieder Kurse, die mit WhatsApp anfangen und sich dann langsam über das Online-Einkaufen zum Online-Banking vorarbeiten, aber noch nicht flächendeckend.
Neben dem erwähnten Unterstützungsbedarf beim Online-Banking und Online-Einkauf sollte man die Banken und gerade die Sparkassen bei der Ausdünnung des Filialnetzes nicht ganz aus der Verantwortung lassen. Die Anbieter haben eine Verantwortung Unterstützung zu leisten, sollten dafür jedoch nicht für 45 Euro in Rechnung stellen. Aber es ist schwer sie gesetzlich zu verpflichten. Mit etwas öffentlichem Druck kann man sie vielleicht doch zu einem mobilen Ersatz für geschlossene Filialen bewegen. In mehreren Kommunen gibt es schon länger einen Sparkassenbus, der zu regelmäßigen Zeiten an Wochenmärkten oder anderen Stellen für einige Stunden hält. Mit fünf Bussen und einem durchdachten Fahrplan könnte so überall in Bremen mindestes zwei Mal in der Woche die Sparkasse oder Volksbank fast vor die Haustür kommen.

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Autorin

  • Marie Roters
    Marie Roters Autorin

Dieses Thema im Programm: Bremen Eins, Der Nachmittag, 6. September 2022, 14:40 Uhr