Anwalt: BAMF hat Regeln offensiv gebrochen

Erstmals hat sich der Anwalt eines der Hauptbeschuldigten geäußert. Das Bremer BAMF habe gut gearbeitet. Die Zentrale dagegen wolle von eigenen Fehlern ablenken.

Bild: Radio Bremen

"Es gibt diesen Skandal nicht – in vielerlei Hinsicht“, sagt Anwalt Henning Sonnenberg im Gespräch mit Radio Bremen, NDR und Süddeutscher Zeitung. Er vertritt Irfan C. aus Hildesheim, einen der Haupt-Beschuldigten im mutmaßlichen Asylskandal rund um die Bremer Außenstelle des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF). Irfan C. ist selbst Anwalt und soll hunderte Asylbewerber nach Bremen gelotst haben. Dort hätten  sie positive Asylbescheide erhalten, obwohl die BAMF-Außenstelle nicht dafür zuständig gewesen sein soll.

Dem widerspricht Sonnenberg. Er ist Spezialist für Ausländerrecht und nach eigenen Angaben seit 30 Jahren mit Asylfragen beschäftigt. Für ihn sind die Vorwürfe gegen seinen Mandanten und die frühere Leiterin der Bremer BAMF-Außenstelle, Ulrike B., völlig aus der Luft gegriffen.

"Totalchaos war Standard"

Das Bundesamt habe die Regeln ab 2014 "offensiv" gebrochen – nicht nur in Bremen, sondern auch in anderen Außenstellen. "Die konnten nicht anders, wenn sie die Arbeit bewältigen wollten", sagt Sonnenberg mit Blick auf die damals beginnende Flüchtlingskrise. Er berichtet von überlasteten Aufnahmestellen, die Asylsuchenden hätten oft Monate warten müssen, bevor sie überhaupt einen Asylantrag stellen konnten. Damals seien viele Anträge nur schriftlich – ohne Anhörung – gestellt worden; vorschriftswidrig und auf Wunsch überlasteter BAMF-Außenstellen. Es habe damals zehntausende Flüchtlinge gegeben, die zwar bei den örtlichen Ausländerbehörden, aber nicht beim Bundesamt registriert waren. "Das Totalchaos war Standard", so Sonnenberg.

Der Vorwurf, dass Ulrike B. die meisten der betroffenen Asylanträge mangels Zuständigkeit gar nicht hätte bearbeiten dürfen, ist nach Sonnenbergs Ansicht haltlos. Er berichtet von einem Erlass der Nürnberger Zentrale, wonach die Bremer Außenstelle – zumindest zeitweise – auch für die Bearbeitung von Asylanträgen aus Teilen von Niedersachsen zuständig war. Die frühere Bremer Referatsleiterin Ulrike B. könne das belegen, sagt Sonnenberg. Seines Wissens befinde sich eine entsprechende Mail in ihrem dienstlichen Mail-Account. Dieser wurde von der Staatsanwaltschaft Bremen beschlagnahmt.

Geflüchtete nach Anweisung der Zentrale nach Bremen gefahren

Eine Bestätigung dazu gibt es vom Ordnungsamt des Landkreises Cuxhaven. Auf Anfrage von Radio Bremen heißt es: "Mit Schreiben vom 30.12.2014 teilte uns das BAMF Nürnberg mit, dass durch die besonders hohe Zahl der Asylantragsteller es seit einiger Zeit nicht mehr gelinge, die Antragstellung beim Bundesamt noch während des Aufenthaltes in den Erstaufnahmeeinrichtungen durchzuführen. Die Landesaufnahmebehörde sei gezwungen, manche Personen zum Teil schon vor Antragstellung zu verteilen. Die für den Zuständigkeitsbereich Landkreis Cuxhaven vorgesehene Außenstelle sei das BAMF Bremen."

Flüchtlinge aus dem Landkreis Cuxhaven waren deswegen zumindest im Jahr 2015 zur Antragstellung nach Bremen gebracht worden. Für den Transport wurden von den jeweils zuständigen Kommunen Busse gechartert. Daher rührt nach Sonnenbergs Worten die "Räuberpistole", wonach die Beschuldigten in der Asyl-Affäre Flüchtlinge busweise nach Bremen gebracht hätten, um dort ihre Anträge bearbeiten zu lassen. Radio Bremen recherchiert, ob die BAMF-Anweisung auch an weitere Landkreise in Niedersachsen geschickt wurde.

Das Bundesamt erklärte dazu auf Anfrage von Radio Bremen: "In 2014/15 wurden die Zuständigkeiten von Außenstellen des Bundesamts für die Ausländerbehörden in Niedersachsen lokal aufgeteilt. Nach aktuellem Kenntnisstand war dies ein Verfahren zur Ressourcensteuerung zu Zeiten hoher Zugangszahlen. Nähere Angaben zu dem konkreten Zeitraum können aktuell nicht gegeben werden."

 Kein Geld geflossen

Sonnenberg bezog auch Stellung zu den Korruptionsvorwürfen. Danach soll sein Mandant Irfan C. Geld dafür verlangt haben, dass er den Betroffenen, hauptsächlich Jesiden, einen positiven Asylbescheid vermittelte. Sonnenberg wies das kategorisch zurück; C. sei selbst Jeside. Die Community sei eng verzahnt, und sein Mandant habe helfen wollen. Bezahlt wurde C. teilweise trotzdem. Laut Sonnenberg ein normaler Vorgang. Wenn sich ein Asylsuchender einen außergerichtlichen Beistand sucht, muss er die Kosten selbst tragen. Selbstverständlich habe C. dafür Rechnungen ausgestellt. Auch an die Ex-Leiterin der Bremer BAMF-Außenstelle, Ulrike B., sei vonseiten seines Mandaten kein Geld geflossen, machte Sonnenberg klar. "Kein Pfennig." Es habe sich um rein dienstliches Verhältnis gehandelt.

Sonnenberg zeigte sich generell darüber verwundert, dass die Bremer BAMF-Außenstelle in den Fokus der Innenrevision gerückt ist. Sie hatte nach seinen Worten unter den Profis innerhalb der Asylszene einen ausgezeichneten Ruf. "Völlig zurecht", wie Sonnenberg findet. Soweit er wisse, wurde Bremen in punkto Arbeitsqualität von der BAMF-Zentrale immer als "top" eingestuft. "Die haben einfach viel und gut gearbeitet." Sonnenberg vermutet, dass es in Nürnberg persönliche Vorbehalte gegen die ehemalige Bremer BAMF-Leiterin Ulrike B. gab, wie er im Gespräch mit Radio Bremen, NDR und Süddeutscher Zeitung sagte. Sie sei nach seinen Erfahrungen "keine, die Männchen macht, wenn in der Zentrale einer bellt".

Dieses Thema im Programm: buten un binnen, 1. Juni 2018, 19:30 Uhr

Archivinhalt