Interview
Anwalt zum BAMF-Skandal: "Eine Geschichte aus dem Tollhaus"

Die frühere Leiterin der Bremer BAMF-Außenstelle soll Asylanträge ungeprüft durchgewunken haben. Dem widerspricht ihr Anwalt deutlich – und macht der BAMF-Spitze schwere Vorwürfe.
Seit Wochen steht die frühere Leiterin der Bremer Außenstelle des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (BAMF) in der Kritik. Dagegen wehrt sich nun ihr Anwalt Erich Joester. Gegenüber Radio Bremen, NDR und Süddeutscher Zeitung kritisiert Joester die BAMF-Zentrale in Nürnberg scharf.
Herr Joester, Ihrer Mandantin Frau B. wird im Zuge des Bremer BAMF-Skandals unter anderem Bestechlichkeit vorgeworfen. Was sagen Sie dazu?
Der Vorwurf ist Unsinn. Es ist ihr vorgeworfen worden, einmal eine Hotelrechnung nicht bezahlt zu haben. Die hat sie selber bezahlt. Und einmal soll sie auf einem jesidischen Neujahrsfest gewesen sein, das war eine öffentliche Einladung an Jedermann. Neulich war der Bremer Bürgermeister (Carsten Sieling, SPD, Anmerkung der Redaktion) beim Fastenbrechen. Wenn das strafbar ist, müsste er jetzt auch verfolgt werden.
Wie sieht es denn mit Zahlungen zwischen den beschuldigten Anwälten und Frau B. aus?
Nicht ein Pfennig. Das bestätigt bisher auch der Durchsuchungsbefehl, da wird das nicht behauptet. Ihre Kontounterlagen sind geprüft worden. Es gibt keine Zahlung zwischen den Anwälten und ihr.
Wenn nicht geprüft worden ist, dann gab es Gründe dafür.
Erich Joester, Anwalt von Frau B., der ehemaligen Bremer BAMF-Leiterin
Frau B. wird auch vorgeworfen, die Fälle der beschuldigten Anwälte bevorzugt bearbeitet zu haben.
Das ist Unsinn, eine Vorzugsbehandlung hat es nicht gegeben. Übrigens haben die Anwälte die meisten Fälle, um die es hier geht, nicht in Bremen anhängig gemacht, sondern außerhalb. Von 4.000 Fällen ist ein Drittel nur in Bremen bearbeitet worden. Mit dem Rest hatte meine Mandantin nichts zu tun.
Für viele der betreffenden Fälle soll die BAMF-Außenstelle in Bremen aber gar nicht zuständig gewesen sein.
Es hat selbstverständlich auch Fälle gegeben, die zum Beispiel aus Oldenburg oder anderen Orten in Norddeutschland kamen. Aber das war besprochen und der Leitung des BAMF auch bekannt, weil die anderen Orte überlastet waren und die Fälle deshalb nach Bremen abgegeben worden sind. Und was die angeblichen Busladungen mit Asylanten angeht: Ich weiß von einem einzigen Fall, wo ein Bus angemietet worden ist – allerdings vom Landkreis Cuxhaven.
Und was ist mit dem Vorwurf, dass Hunderte Asylanträge in Bremen quasi durchgewunken wurden, ohne die Identität der Flüchtlinge zu überprüfen?
Wenn nicht geprüft worden ist, gab es gute Gründe dafür. Ich weiß von Menschen, die in Kabul oder sonst wo ein Visum ausgestellt bekommen haben. Und das wird nur ausgestellt, wenn die deutsche Botschaft die Personalien überprüft hat. Dann ist es selbstverständlich, dass die Personalien hier in Bremen nicht noch einmal überprüft werden müssen. Und dann gibt's natürlich eine Vielzahl von Fällen, in denen Menschen all ihre Ausweise weggeworfen haben oder sie ihnen abgenommen worden sind. In solchen Fällen kann ich die Papiere natürlich auch nicht prüfen.
Sie sprechen von einer Vorverurteilung der früheren Bremer BAMF-Leiterin. Wen meinen Sie damit konkret?
Einerseits natürlich die Presse. Da wird vom "BAMF-Skandal" geredet. Ob das einer ist, wird sich noch herausstellen. Und andererseits natürlich ihre Vorgesetzten bis hin zum Bundesinnenminister (Horst Seehofer, CSU, Anmerkung der Redaktion), die jetzt Vorwürfe erheben, ohne sie vorher angehört zu haben. Dazu gehört auch, dass wir – bis auf den Durchsuchungs-Beschluss – bisher nicht eine einzige Zeile aus den Akten bekommen haben. Auch nicht den Revisionsbericht.
Stichwort Revisionsbericht: Darin wird angeblich der Vorwurf erhoben, dass in Bremen das Vier-Augen-Prinzip zwischen 2013 und 2017 missachtet wurde.
Das ist völlig richtig. Dazu muss man aber wissen, dass dieses Prinzip aus der Feder meiner Mandantin stammt. Denn als die Situation sich 2017 etwas beruhigt hatte, hat man sie beauftragt, die Abläufe zu ändern. Das hat sie getan und das Vier-Augen-Prinzip als Kontrollmechanismus eingeführt. Es ist also grotesk, ihr vorzwerfen, sie habe es nicht beachtet, obwohl es dieses Prinzip vorher gar nicht gab. Das ist eine Geschichte aus dem Tollhaus.
Aber wer hat denn dann vorher die Gespräche mit den Flüchtlingen und die Entscheidungen über ihre Asylanträge kontrolliert?
Nach meiner Kenntnis gar nicht. Es gab auch nicht genügend Mitarbeiter, dass jeweils zwei Leute draufgeguckt haben. Denn der Stau an Entscheidungen war damals irrsinnig, wie sie aus den Medienberichten wissen.
Neben dem Revisionsbericht gibt es auch noch einen Bericht von der Nachfolgerin Ihrer Mandantin an der Spitze der Bremer BAMF-Außenstelle, Josefa Schmid. Wie bewerten Sie diese 99 Seiten?
Ich kenne ihn gar nicht. Die Staatsanwaltschaft hat ihn mir genauso wenig zur Verfügung gestellt wie das Innenministerium. Ich habe daraus nur Einzelheiten erfahren. Beispielsweise wird dort eine "Staatsanwältin" zitiert, von der ich weiß, dass sie Polizistin ist. Das ist mangelhafte Recherche. Alle Medien kennen diesen Bericht, aber nicht meine Mandantin.
Und eins steht fest: Dass sie sich 2017 wieder für die Stelle in Bremen beworben hat. Und ihre Konkurrentin war Frau Schmid, die diesen Bericht verfasst hat – wohl unter Umgehung des Dienstweges. Und man kann sich dann schon fragen, warum.
Dieses Thema im Programm: buten un binnen, 1. Juni 2018, 19:30 Uhr