Interview

Wieso Autos in Bremen so teuer und die Werkstätten überlastet sind

Bild: Radio Bremen | Alexander Schnackenburg

Der Gebrauchtwagen-Markt ist eingebrochen. Zugleich türmen sich in Auto-Werkstätten Reparatur-Aufträge. Wie das zusammenhängt, erklärt der Obermeister der Kfz-Innung Bremen.

Um rund 15 Prozent ist der hiesige Gebrauchtwagenmarkt im Mai 2022 gegenüber dem Mai des Vorjahrs zurückgegangen. Das teilt der Kfz-Landesverband Niedersachsen-Bremen mit. Dabei scheint der Bedarf an fahrtüchtigen Autos keinesfalls geringer geworden zu sein. So stellen Bremens Kfz-Werkstätten fest, dass sie sich derzeit vor Arbeit kaum retten können. Ein Widerspruch? Nein, sagt Hans Jörg Koßmann. Im Gespräch mit buten un binnen erläutert der 60-jährige Obermeister der Kfz-Innung Bremen, wieso zur Zeit weniger Leute als sonst ihre Autos verkaufen und weshalb die Werkstätten so viel zu tun haben.

Herr Koßmann, der Gebrauchtwagen-Markt verzeichnet große Einbrüche. Weshalb fällt es den Bremerinnen und Bremern derzeit so schwer, sich von ihren Autos zu trennen?

Ich glaube nicht, dass es den Leuten schwer fällt, sich von ihren Autos zu trennen. Aber es gibt große Engpässe bei der Auslieferung von Neuwagen. Das schlägt auf den Gebrauchtwagensektor durch. So lange wir keine neuen Fahrzeuge ausliefern, nehmen wir auch keine gebrauchten Wagen in Zahlung, und die Leute behalten ihre Autos. Das ist eine Kettenreaktion.

Wie wirkt sich dieser Mangel beim Angebot auf die Gebrauchtwagenpreise aus?

Das ist so wie in allen anderen Bereichen: Wenn Sie den Markt verknappen, dann steigen die Preise. Im Neuwagensektor gehen die Rabatte extrem zurück, die Preise sind gestiegen. Entsprechend steigen auch die Preise bei den Gebrauchtwagen an. Für einen jungen Gebrauchtwagen, für den man sonst 30 Prozent Rabatt bekommen hätte, kriegt man heute vielleicht zwölf, maximal 15 Prozent.

Ich rate allen, sich frühzeitig Termine in der Werkstatt zu holen, wenn man beispielsweise mit dem Auto in den Urlaub fahren möchte.

Hans Jörg Koßmann, Obermeister der Kfz-Innung Bremen

Es heißt, dass sich vor den Kfz-Werkstätten die Autos türmten, weil die Leute angesichts der Lage lieber den alten Wagen noch einmal auf Vordermann bringen ließen statt sich in der jetzigen Situation einen Neuwagen oder einen neuen Gebrauchtwagen zu kaufen. Wie werden die Werkstätten mit dem hohen Andrang fertig?

Es stimmt, dass wir zur Zeit ein erhöhtes Aufkommen haben. Das liegt aber auch an den bevorstehenden Sommerferien. Ich rate allen, sich frühzeitig Termine in der Werkstatt zu holen, wenn man beispielsweise mit dem Auto in den Urlaub fahren möchte. Wenn nämlich irgendetwas Gravierendes am Wagen ist, dann haben wir nicht nur das Problem, dass wir keine Werkstattkapazitäten kurzfristig frei haben. Sondern wir haben auch das Problem mit den Ersatzteilen. Auch für Ersatzteile sind Lieferketten unterbrochen. An manche Sachen kommen wir gerade gar nicht ran.

Können Sie dafür Beispiele nennen? An welchen Ersatzteile mangelt es den Werkstätten zur Zeit besonders?

Uns fehlen teilweise für bestimmte Modelle die Ölfilter-Einsätze. Teilweise fehlen uns – weil das mit Halbleiter-Technik ist – auch NOx-Sensoren, die bei den Dieselfahrzeugen und zum Teil auch bei Benzinern verbaut sind. Das sind aber Sachen, die man braucht, damit das Fahrzeug läuft. Und manchmal fehlen auch ganz einfache Sachen. Vorhin habe ich von einem Kollegen gehört, der nach einem Unfallschaden auf eine Tür wartet, die einfach nicht lieferbar ist – seit Februar.

Mehrere Containerschiffe liegen auf offenem Meer.
Wie auf diesem Foto aus der Deutschen Bucht im Juni, so warten weltweit viel mehr Schiffe auf die Abfertigung als vor Ausbruch der Corona-Pandemie. Bild: dpa | Jonas Walzberg

Der Kfz-Verband führte die Lieferprobleme Mitte Juni auch darauf zurück, dass zwölf Prozent der weltweit verfügbaren Containerschiffe im Stau stünden – doppelt so viele wie vor Corona. Was glauben Sie: Wie lange werden die Werkstätten noch mit derartigen Problemen und daraus resultierenden Lieferengpässen zu kämpfen haben?

Ich glaube, das wird mindestens noch bis weit ins nächste Jahr weitergehen. Wir sehen gerade, wie uns die Lieferzeiten für bestimmte Fahrzeugmodelle weglaufen, gerade für hybride und für elektrische Fahrzeuge, aber auch für Verbrenner-Motoren. Die sollten wir ursprünglich dieses Jahr ausliefern. Aber schon jetzt ist klar: Es wird eher Januar, Februar, März 2023 werden. Das heißt auch für den Gebrauchtwagen-Markt: Mit einem größeren Angebot ist erst einmal nicht zu rechnen. Wir werden mindestens die nächsten zwei/drei Jahre mit einem reduzierten Angebot leben müssen und auch mit höheren Preisen sowohl bei Neuwagen als auch bei gebrauchten Fahrzeugen.

Noch einmal zurück zu den Autoreparaturen. Wie lange müssen die Kundinnen und Kunden in der Regel warten, um mit ihren Autos bei den Bremer Werkstätten zum Zuge zu kommen? Und wie wirkt sich der große Andrang auf die Preise aus?

Die Preise sind weiterhin stabil. Nur, weil wir etwas längere Wartezeiten haben, werden wir nicht die Rechnungssätze anheben. Keiner meiner Kollegen nutzt die Situation aus und sagt: Weil ich schneller bin, steigen jetzt die Preise! Das wäre nicht korrekt, und das machen wir nicht.

Aber dass wir jetzt etwas längere Wartezeiten haben, ist klar. Bei Notfällen versucht natürlich trotzdem jeder, seinem Kunden sofort zu helfen. Aber bei regulären Wartungen und Ähnlichem haben wir einen Vorlauf von 14 Tagen bis zu drei Wochen, manche Betriebe bis zu vier Wochen. Wir können uns ja auch nicht zerreißen. Nach wir vor haben die Betriebe mit Corona und den Corona-Folgen zu kämpfen. Wir haben Ausfälle, und auch unsere Mitarbeiter machen Sommerurlaub. Das heißt: Wir arbeiten mit vermindertem Personal.

Ein bekanntes Problem vieler Inhaber von Kfz-Werkstätten ist, dass sie, wenn überhaupt, nur mit Mühe Nachfolger finden. Müssen wir damit rechnen, dass es trotz des hohen Arbeitsaufkommens in den Werkstätten bald immer weniger Werkstätten bei uns geben wird?

Ja, darauf werden wir uns einstellen müssen. Die Dichte an Autoreparatur-Werkstätten wird abnehmen. Nicht jeder hat das große Glück, dass er Kinder hat, die ins Geschäft einsteigen und es weiterführen. Das wird in den nächsten Jahren noch zu einem riesengroßen Problem führen. Dabei ist unser Beruf mehr als zukunftsträchtig. Wir haben viel zu tun. Der Fahrzeugbestand in Deutschland liegt bei 60 Millionen Fahrzeugen. Es wird auch in Zukunft genug zu tun geben.

Aber es fehlen Leute, die bereit sind, so viel Zeit zu investieren, wie man investieren muss, um sich selbstständig zu machen und einen Betrieb zu übernehmen. Daher glaube ich: Die Großbetriebe werden immer größer werden. Aber der mittlere Typus von Betrieben wird uns nach und nach verloren gehen. Ausgerechnet die, die maximal zwanzig Mitarbeiter haben – und derzeit noch einen großen Teil des Geschäfts abdecken.

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Dieses Thema im Programm: buten un binnen, 6. Juli 2022, 19.30 Uhr