Ist Bremen eine Stadt für alle?

Eine Frau geht nachts eine einsame Treppe hoch.

Eine Stadt für alle – ist Bremen das?

Bild: dpa | Ute Grabowsky

Architektur war lange eine männerdominierte Szene. Männer haben bestimmt, wie Städte aussehen. Studierende der Hochschule wollen das ändern und zeigen in einer Ausstellung, warum.

Die Ausstellung in der AB Galerie zeigt viele Filme – zum Beispiel werden Frauen in einem Video nachts durchs Bremer Viertel begleitet. Man sieht die Rücken der Frauen, schaut über ihre Schultern. Und so kann jeder nachempfinden, dass das Bewegen durch die Stadt für Frauen im Dunkeln oft sehr unangenehm sein kann.

Aber auch verschiedene Kartendarstellungen von Bremen mit unterschiedlichen Fokuspunkten sind ausgestellt. Bei einer Karte geht es zum Beispiel um "Catcalling", also sexuell anzügliches Hinterherrufen. Die Karte zeigt, wo dies vermehrt in Bremen stattfindet, aber auch wo es in der Umgebung Schutzräume gibt, wo sich Frauen zurückziehen können und Hilfe bekommen. Eine andere Karte zeigt Denkmäler und unterscheidet Frauen- und Männerdarstellungen. Während wichtigen Männern früher also ein Denkmal gewidmet wurde, gab es das bei Frauen nicht.

Außerdem sieht man, dass bei Darstellungen nackter Frauen die Brüste oft golden schimmern wie bei den Stadtmusikanten die Füße – sie werden also oft angefasst.

Öffentlicher Raum kann unangenehm sein

Cèline Schmidt-Hamburger hält einen Vortrag
Stadtplanerin und Soziologin Celine Schmidt-Hamburger hat den Kurs für die Veranstaltung geleitet. Bild: Clemens Becker

Generell geht es in der Ausstellung viel darum, Probleme im Stadtbild aufzuzeigen. Wie allein das Design von bestimmten Räumen dagegen helfen kann, erklärt Cèline Schmidt-Hamburger, Leiterin des begleitenden Kurses, am Beispiel von öffentlichen Toiletten. "Wenn man sich die Grundrisse von öffentlichen Toiletten anschaut, von denen es ja viel zu wenig gibt, ist es so, dass die Grundrisse genau gleich sind. Aber ein Pissoir braucht viel weniger Platz als eine Kabine", sagt Schmidt-Hamburger.

Zudem müssten Frauen häufiger auf die Toilette, weil ihre Harnröhre kürzer sei. Darüber hinaus menstruieren Frauen, die Wickeltische werden in die Kabinen der Frauen mit reingepackt. "Und darum kommt es dann immer zu diesen Schlangen", so die Stadtplanerin. Frauen müssen also länger warten als Männer, weil die Toiletten mehr Platz wegnehmen und es deshalb weniger von ihnen gibt.

"Anti-Obdachlosen-Design"

Die Ausstellung thematisiert außerdem die Teilhabe von obdachlosen Menschen. Maßgeblich involviert ist darum auch das Projekt "Housing First" vom Aktionsbündnis Menschenrecht auf Wohnen. Die Idee hinter dem Projekt ist es, Menschen als erstes eine Wohnung zur Verfügung zu stellen, bevor es um Sachen geht wie das Finden einer Arbeit. Dieses Konzept stammt aus den USA und existiert bereits in Skandinavien. Pädagoge bei dem Projekt ist unter anderem Harald Schröder, der schon seit Jahren in der Szene arbeitet. Er sagt, es gebe in der Architektur den Begriff "Anti-Obdachlosen-Design".

Das wären zum Beispiel die fehlenden Sitzgelegenheiten. Das ist die Verordnung der Bremer Straßenbahn AG, dass man nur an Straßenbahnhaltestellen sitzen darf, wenn man eine Fahrt vor sich hat, das heißt auch ein gültiges Ticket besitzt. Das heißt auch, der Zugang zu Toiletten, die es in Bremen nicht gibt. Die Möglichkeit, sich zu waschen. Die Möglichkeit, bei Frost einzukehren, bei Regen einzukehren, bei Hitze einzukehren. Das ist alles nicht vorhanden.

Harald Schröder, Housing first

Und auch hier werden Frauen oft benachteiligt: Am Bremer Hauptbahnhof gibt es für Obdachlose nur Pissiores. Die können weibliche Obdachlose nicht benutzen und müssen also bezahlen, wenn sie auf die Toilette wollen.

Wie kann Architektur eine Stadt fairer machen?

Auch Mobilität ist ein großes Thema, sagt Stadtplanerin und Soziologin Celine Schmidt-Hamburger. So haben Studien gezeigt, dass Frauen vor allem Bahn und Fahrrad fahren oder zu Fuß gehen. Männer fahren hingegen häufiger mit dem Auto. Trotzdem werder Autos in einer Stadt viel Platz gegeben, im Winter würden zuerst die Straßen von Schnee freigeräumt, bevor sich um Geh- und Fahrradwege gekümmert werder. Das zu ändern, wäre für alle fairer, sagt Schmidt-Hamburger.

Mit solchen Problemen haben sich jetzt die Studierenden der School of Architecture auseinandergesetzt, die in der Zukunft selbst einen Einfluss darauf haben können, wie eine Stadt gebaut wird. Zu sehen sind ihre Gedanken, in Form von Filmen und Grafiken, noch bis zum 4. September in der AB Galerie in der Hochschule Bremen.

Dieses Thema im Programm: Bremen Zwei, Der Morgen, 6. August 2022, 8:10 Uhr